DOMRADIO.DE: Gesundheitsminister Lauterbach hat erneut seine Vorschläge für eine Pflegereform vorgelegt. Kinderlose sollen höhere Beiträge zahlen. Das Pflegegeld soll leicht steigen, Heimbewohner stärker bei den Kosten entlastet werden. Lösen wir damit die Probleme in der Pflege?
Professorin Dr. Ulrike Kostka (Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin): Nein, überhaupt nicht. Diese Reform ist eher ein kleines Reförmchen und führt sogar zum Teil zu stärkeren Belastungen von Familien. Damit sind wir als Caritas wirklich sehr unzufrieden.
DOMRADIO.DE: Sehen Sie überhaupt eine Möglichkeit, die Bürger bei der Zahlung der Pflegebeiträge zu entlasten?
Kostka: Es ist dringend notwendig, dass die Pflegeversicherung und der ganze Pflegebereich komplett überarbeitet werden. Dafür wird auch ein Steuerzuschuss notwendig sein. Es kann nicht alles auf Lasten der Bürgerinnen und Bürger gehen, denn das überfordert viele und dementsprechend erwarten wir eine große Reform. Aber die soll es eventuell im nächsten Jahr geben. Mal sehen, was dabei rauskommt.
DOMRADIO.DE: Kinderlose Beitragszahler sollen mehr als alle anderen belastet werden. Ist das gerecht?
Kostka: Ich denke, das ist gerecht. Ich bin selber kinderlos und sage, dass es so sein muss, dass da auch eine Leistungsgerechtigkeit ist. Oftmals haben Kinderlose doch mehr Einkommen als Familien und dementsprechend finde ich das richtig. Auf der anderen Seite ist es einkommensabhängig, es muss immer geguckt werden, wie die Rahmenbedingungen des Einzelnen sind. Auf jeden Fall finde ich es schwierig, dass Familien jetzt stärker belastet werden.
DOMRADIO.DE: Im laufenden Jahr wird die Pflegeversicherung einen Fehlbetrag ausgleichen müssen von drei Milliarden Euro. Statt dieses Loch mit Steuermitteln zu stopfen, so wie Sie es eben gesagt haben und wie es auch die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen fordern, plant der Gesundheitsminister den Beitragssatz zu erhöhen. Müsste da jetzt der Finanzminister einspringen?
Kostka: Natürlich! Das ist auch das große Problem des Bundesgesundheitsministers, dass der Finanzminister da auf der Stoppbremse steht. Verständlicherweise, denn der Haushalt ist belastet. Aber wie gesagt, man kann die Probleme nicht immer um ein Jahr verschieben. Zurzeit ist es so, dass pflegende Angehörige extrem belastet sind. Viele Faktoren wirken sich auf sie vielfach aus, auch die steigende Inflation, steigende Tariflöhne in der Pflege, die natürlich wichtig sind. Aber das ist auf Dauer so nicht leistbar. Auch die Pflegekassen müssen entlastet werden.
Es braucht ein Gesamtkonzept für die Pflegereform und nicht alle drei Monate kleine Häppchen. Für uns fehlt der große Plan und das ist das Problem. Dementsprechend fordern wir eine große Reform und auch eine starke Beteiligung der Expertinnen und Experten aus unseren Verbänden und aus der Praxis. Damit auch eine Reform so gestaltet sein kann, dass sie wirklich bei den Menschen ankommt. Das ist zurzeit nicht so, und das sehe ich als eine der größten Probleme in unserer Gesellschaft. Pflege steht einfach immer noch im Schatten und viele Menschen machen sich wirklich massiv Sorgen, ob sie sich in Zukunft die Pflege noch leisten können. Das finde ich sehr schlimm, da gerade ältere Menschen davor richtig Angst haben.
Das Interview führte Tobias Fricke.