Betroffenensprecher Norpoth sieht Bode-Rücktritt zwiespältig

"Lässt Fragen offen"

"Ein Stück Genugtuung" ist der Rücktritt von Bischof Bode für Johannes Norpoth. Trotzdem ist das Vorgehen des Vatikans für ihn problematisch - und lasse die Vermutung zu, dass dahinter eine kirchenpolitische Taktik stecken könne.

Franz-Josef Bode / © Harald Oppitz (KNA)
Franz-Josef Bode / © Harald Oppitz ( KNA )
Johannes Norpoth / © Julia Steinbrecht (KNA)
Johannes Norpoth / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Papst hat unerwartet das Rücktrittsgesuch von Bischof Bode angenommen. Was bedeutet dieser Schritt für Sie als Missbrauchsbetroffener?

Johannes Norpoth (Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz): Bischof Bode übernimmt damit seine Verantwortung für die persönlichen Verfehlungen im Umgang mit dem Missbrauch, mit den Tätern und insbesondere den Opfern der sexualisierten Gewalt in seinem Bistum. Für Missbrauchsbetroffene ist das auch ein Stück Genugtuung, weil hier eben auch persönliche Konsequenzen auf eigene Fehler folgen und nicht nur warme Worte, wie wir das in der Vergangenheit nicht nur einmal haben erleben müssen. 

DOMRADIO.DE: Sie haben uns im Interview gesagt, dass beim Thema Aufarbeitung Veränderungen am System wichtiger sind als Rücktritte. Am System wird sich durch diesen Schritt aber nichts ändern - oder?

Norpoth: Grundsätzlich bleibe ich auch bei dieser Position. In Anbetracht der aktuellen Verfasstheit der katholischen Kirche liegt die Gestaltungsverantwortung beim Ortsbischof. Es ist besser, wenn reform- und veränderungswillige Bischöfe diese Gestaltungsmacht auch tatsächlich nutzen. Insofern lässt die heutige Entscheidung aus Rom, dem Rücktrittsgesuch statt zu geben, auch Fragen offen. Mit Bischof Bode scheidet mit sofortiger Wirkung einer der reformwilligen Bischöfe, ein bischöflicher Motor des Synodalen Wegs aus allen Strukturen aus. Ich befürchte, dass damit der reform- und veränderungswillige Flügel in der Deutschen Bischofskonferenz deutlich und nachhaltig geschwächt wird. Und genau in diesem Kontext sei die Frage erlaubt, ob das wohl auch ein strategisches Moment des Vatikans in seiner Entscheidung war.

DOMRADIO.DE: Andererseits hat Franziskus die Rücktrittsgesuche anderer Diözesanbischöfe, wie etwa Marx, Woelki oder Heße ignoriert oder abgelehnt, obwohl auch diesen Bischöfen zum Teil Fehlverhalten nachgewiesen wurde. Ist der Papst hier inkonsequent?

Norpoth: Auch das ist einer der Fragenkomplexe, der sich durch die heutige Entscheidung ergibt: In den Vorgängen Heße, Marx, Schwaderlapp und Puff hat Rom die Rücktrittsgesuche zurückgewiesen und die Herren im Amt belassen. Auf das Gesuch von Kardinal Woelki hat es gar bisher keine offizielle Reaktion gegeben. Ich will nicht so weit gehen und dem Heiligen Vater Inkonsequenz vorwerfen, sondern das eher mit einer Frage beantworten: Ist das jetzt die neue Linie des Vatikans? Müssen wir damit rechnen, dass Rücktrittsgesuche im Kontext persönlicher Verfehlungen im Missbrauchsskandal nunmehr auch persönliche Konsequenzen von Bischöfen zur Folge haben wird? Wir werden sehen, aber ich befürchte, das am Ende die Antwort auf die eingangs gestellte Frage dann doch mit ja zu beantworten sein dürfte!

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Betroffene: Bode-Rücktritt ein "Schritt in die richtige Richtung"

Der norddeutsche Betroffenenrat der katholischen Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück hat den Rücktritt des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode als "wichtiges Zeichen sichtbarer Verantwortungsübernahme" und "wegweisenden Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass der Aufarbeitungs- und Schutzprozess, der im Bistum Osnabrück durch Bischof Bode 2019 installiert wurde, auch weiterhin konstruktiv und zielgerichtet verfolgt wird", teilte der Betroffenenrat am Samstag mit.

Symbolbild sexualisierte Gewalt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild sexualisierte Gewalt / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR