Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, verwies am Donnerstag in Dresden auf ein wissenschaftliches Projekt, das in diesem Frühjahr am Institut für katholische Theologie und ihre Didaktik der Universität Münster startet. Ziel der Studie sei es, Faktoren zu ermitteln, die sogenannten geistlichen Missbrauch begünstigen, und daraus Möglichkeiten zur Vorbeugung zu entwickeln.
Untersuchung zu Geistlichen Gemeinschaften
Konkreter Gegenstand der Untersuchung sind die deutschlandweit präsenten wie bistumsspezifischen Geistlichen Gemeinschaften im Bistum Münster und Osnabrück. Dabei handelt es sich um Gemeinschaften oder Betroffene aus Gemeinschaften, in denen geistlicher Missbrauch gesichert vorgekommen ist und in denen eine Begleitung Betroffener sichergestellt ist.
Erstellt werden soll die Studie anhand der Erfahrungen von Betroffenen, Interviews mit Zeitzeugen sowie Aktenanalysen. Es gehe dabei sowohl um "theologische als auch soziologische Perspektiven", so Projektleiterin Judith Könemann vom Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheologie der Uni. Die Ausrichtung und Relevanz der Studie ist deutschlandweit.
Geistlicher Missbrauch
Das Phänomen geistlichen oder spirituellen Missbrauchs wurde, anders als sexueller Missbrauch, erst in jüngerer Zeit problematisiert. Damit gemeint sind Manipulation und Ausnutzung von Menschen im Namen Gottes und im Kontext religiösen Lebens. Dabei werden in der Seelsorge, etwa Beichte oder geistlicher Begleitung, aber auch in geistlichen Gemeinschaften Menschen bevormundet, entmündigt und oft gegen andere abgeschirmt.
Vorwürfe geistlichen Missbrauchs wurden in jüngster Zeit etwa gegen die Gruppierung "Katholisch Integrierte Gemeinde" mit Hauptsitz in München sowie die vom Bistum Münster aus agierende geistliche Vereinigung "Totus Tuus Neuevangelisierung" erhoben. Beide sind inzwischen aufgelöst. Im Bistum Osnabrück hatte die Anfang der 1980er Jahre gegründete Christusgemeinschaft zeitweise großen Einfluss auf Schwestern der Thuiner Franziskanerinnen, weswegen es dort zu einer Spaltung kam.
Unterdessen verabschiedete die Bischofskonferenz eine Arbeitshilfe mit dem Titel "Missbrauch geistlicher Autorität". Es gehe auch um einen manipulativen Umgang mit der Bibel, der geistlichen Tradition der Kirche oder der Spiritualität einer Gemeinschaft, indem sie anderen die eigenen Werte oder Überzeugungen aufdrängen oder diese zu bestimmten Verhaltensweisen und Handlungen zwingen, sagte Bätzing.
Keine strafrechtliche Grundlage
Die psychischen und emotionalen Folgen, die bisweilen lebenslangen, tiefen Wunden eines solchen Missbrauchs seien für die Betroffenen einschneidend und denen des sexuellen Missbrauchs durchaus vergleichbar.
Der Bischof betonte, beim geistlichen Missbrauch seien die Betroffenen, die sich melden, in der Regel bereits erwachsen. Opfer erhielten keine Unterstützung durch Polizei und Staatsanwaltschaften, die mangels strafrechtlicher Grundlage nicht tätig werden könnten.
"Bisherige Erfahrungen in den Bistümern zeigen: Die Betroffenen möchten in erster Linie, dass ihre Erfahrungen als geistlicher Missbrauch mit den daraus folgenden Leiden benannt und anerkannt werden", so der Limburger Bischof.