Bischöfin Käßmann entschuldigt sich bei ehemaligen Heimkindern

"Ich entschuldige und schäme mich"

Die evangelische Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann, hat sich für die Misshandlung von Kindern und Jugendlichen in Heimen der evangelischen Kirche entschuldigt. Im NDR sagte sie am Donnerstag: "Ich kann öffentlichen sagen, dass ich mich entschuldige, aber ich würde mehr noch sagen, ich schäme mich dafür, dass in unseren Heimen so etwas vor sich gegangen ist und Kinder wirklich auch gebrochen wurden in ihrem Willen, und ihre Würde derart verletzt wurde." Die Aussage der Bischöfin dürfte neuen Schwung in die Debatte um Entschädigungszahlungen bringen.

 (DR)

Die Bischöfin begrüßte den vom Bundestag im Dezember beschlossenen Runden Tisch zum Schicksal der Heimkinder. «Es sollen ergebnisoffene Prüfungen sein, auch in der Frage der Entschädigungszahlungen.» In der Frage der Entschädigung gibt es allerdings Streit. Das federführende Bundesfamilienministerium hatte zu Wochenbeginn erklärt, ein Entschädigungsfonds werde nicht angestrebt.

Käßmann sagte dazu jedoch: «Ich persönlich denke, dass Menschen, die beispielsweise Zwangsarbeit in diesen Heimen geleistet haben, ohne dafür bezahlt zu werden und heute in Notsituationen sind, dass wir hier über Entschädigungen sprechen müssen.» Es gehe auch um therapeutische Begleitung. «Wir müssen den einzelnen Fall sehen und prüfen, wie das ehemalige Heimkind heute gefördert werden kann.»

Schwierige Bewertung der Einzelfälle
Unterdessen wies der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl Schiewerling Kritik an den Plänen für einen «Runden Tisch» zurück. Der vom «Verein ehemaliger Heimkinder» (VEH) geforderte Entschädigungsfonds sei keineswegs vom Tisch, sagte das Mitglied des Petitionsausschusses des Bundestags am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Es sei Aufgabe des Runden Tisches, Kriterien für eine mögliche Entschädigung zu entwickeln. Ob es dann zu einem solchen Fonds komme, sei Sache des Gremiums. Schiewerling war Berichterstatter der Union zu diesem Thema im Petitionsausschuss.

An dem Runden Tisch sollen Kirchen und öffentliche Heim-Träger, Vormundschaftsgerichte, Jugendhilfe und kommunale Spitzenverbände, Abgeordnete, Unternehmer, Wissenschaftler und Betroffene mitwirken. Hintergrund sind Vorwürfe, wonach zahlreiche Kinder und Jugendliche bis Ende der 60er-Jahre in staatlichen und kirchlichen Heimen misshandelt und ausgebeutet wurden.

Schiewerling verwies zugleich darauf, dass es ausgesprochen schwierig sei, die Schicksale der ehemaligen Heimkinder zu bewerten. «Wie will man mehrere Jahrzehnte später feststellen, wer wie stark misshandelt wurde und welche Belastungen die Kinder aus ihren Familien schon mitbrachten?», sagte er. «Dazu kommt die Frage, was damals gängige Erziehungsmethode auch in Familien war. Und wer soll entschädigen: die Einrichtung, der Täter, die von der Kinderarbeit profitierenden Firmen oder der Staat und die Kirchen?» Für diese offenen Fragen müsse der Runde Tisch Kriterien entwickeln.

Nach Einschätzung des Unionspolitikers waren Misshandlungen und Ausbeutung in den Kinderheimen der frühen Bundesrepublik «wohl keine Einzelfälle, aber es steckte auch kein System dahinter». Es habe keine Handlungsanweisungen der Träger oder des Staates gegeben, die Jugendlichen in einer bestimmten Weise zu behandeln. Zugleich sei aber offensichtlich, dass manche Erzieher «grausam oder einfach überfordert waren». Er wisse von vier oder fünf konkreten Heimen, in denen Kinder und Jugendliche quasi systematisch durch Arbeit und Misshandlungen auf Linie gebracht werden sollten.