Streit um den Runden Tisch für Heimkinder

"Das ist für uns ein Hohn"

Bereits Ende Januar soll der Runde Tisch zum ersten Mal tagen. Doch um das kurz vor Jahresende vom Bundestag beschlossene Gremium, das das Schicksal ehemaliger Heimkinder in Westdeutschland aufarbeiten soll, gibt es schon im Vorfeld neuen Streit.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Feststeht: Von den mehreren hunderttausend Mädchen und Jungen, die zwischen Kriegsende und Mitte der 70er Jahre in kirchliche und staatliche Heime eingewiesen wurden, haben manche ein schweres Schicksal erlitten. Sie wurden körperlich schwer gezüchtigt, in Dunkelzellen gesperrt, sogar missbraucht und zur Arbeit gezwungen - mit traumatischen Folgen bis heute.

Unter Moderation der früheren Bundestags-Vizepräsidentin und Grünen-Politikerin Antje Volmer sollen die Opfer im Rahmen des Runden Tischs deshalb mit den verantwortlichen Heimträgern die noch vorhandenen Akten auswerten. Zudem sollen Lösungsvorschläge entwickelt werden, wie misshandelte Heimkinder rehabilitiert und individuelle Rentenansprüchen berücksichtigt werden können.

Zuständig für das Gremium, in dem Kirchen, öffentliche Heim-Träger, Vormundschaftsgerichte, Jugendhilfe, kommunale Spitzenverbände, Abgeordnete, Unternehmer, Wissenschaftler und Betroffene mitwirken sollen, ist das Bundesfamilienministerium. Der "Verein ehemaliger Heimkinder" (VEH) wirft Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) jetzt aber vor, an einer umfassenden Aufarbeitung und Wiedergutmachung gar nicht interessiert zu sein. Die Ministerin wolle dem Gremium nur eine "Erörterungs- und Abklärungsfunktion" zukommen lassen, kritisiert VEH-Präsident Hans-Siegfried Wiegand.  Über die Einrichtung eines Entschädigungsfonds solle "nicht einmal mehr diskutiert werden".

Dazu passt ein Bericht der "Tageszeitung" vom Montag: Sie zitiert aus einem Brief von der Leyens an Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) den Satz: "Die Einrichtung eines nationalen Entschädigungsfonds wird von Bundestag und Bundesregierung nicht angestrebt." Richtig ist aber auch, dass weder der Petitionsausschuss des Bundestags noch das Parlament selber im Einsetzungsbeschluss für den Runden Tisch einen Entschädigungsfonds erwähnt haben. Die katholische Kirche lehnt eine solche generelle Lösung explizit ab; sie will, dass sich ehemalige Heimkinder und Träger der Heime im Einzelfall auf Hilfen und Entschädigung einigen, falls es schwere Versäumnisse gegeben hat.

Heftige Kritik übt der VEH auch daran, dass die Geschäftsführung des Runden Tischs an den "Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge" übertragen werden soll. "Das ist für uns ein Hohn", sagt Wiegand. Der Deutsche Verein sei "in besonderer Weise verstrickt in die Heimerziehung des Nationalsozialismus sowie der Nachkriegszeit".

Er sei daher nicht geeignet, das Vertrauen ehemaliger Heimkinder zu erlangen. Nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) hat der Deutsche Verein, der der Zusammenschluss der öffentlichen und freien Träger sozialer Arbeit ist, die Federführung des Runden Tischs zwischenzeitlich selbst abgelehnt - mit Verweis auf die problematische Geschichte einiger Mitgliedsorganisationen.

Wiegand kritisierte außerdem, dass von der Leyen auch auf die Einrichtung einer Hotline für ehemalige Heimkinder und die Unterstützung der Opfer bei ihrer Therapie verzichten will. Der VEH ist zudem empört, dass am Runden Tisch lediglich zwei Vertreter der Heimkinder teilnehmen sollen. "Damit würden wir erneut nicht ernst genommen."

Einen Boykott des Runden Tischs lehnt der VEH-Präsident aber im Gespräch mit der KNA ab. Auch das Bundesfamilienministerium warnte am Montag vor voreiligen Schlüssen: Grundsätzlich seien alle inhaltlichen Entscheidungen dem Runden Tisch vorbehalten. Das gelte auch für die Frage eines Entschädigungsfonds und die personelle Zusammensetzung.