Bischof Alvarez in Nicaragua zu 26 Jahren Haft verurteilt

Neue Eskalationsstufe im Konflikt zwischen Staat und Kirche

Mit einem drakonischen Urteil will das sandinistische Regime in Nicaragua ein Exempel statuieren, um kritische Stimmen im Land einzuschüchtern: Der Bischof von Matagalpa muss für mehr als 26 Jahre ins Gefängnis.

Autor/in:
Alexander Pitz
Schattenumriss Gefängnis / © Felix Kästle (dpa)
Schattenumriss Gefängnis / © Felix Kästle ( dpa )

"Ich will keinen neuen Märtyrer-Bischof in Lateinamerika": Mit diesen Worten beorderte Papst Franziskus Managuas Weihbischof Silvio Baez schon vor einigen Jahren ins Exil. Nur widerwillig und "im Geiste des Gehorsams" verließ der prominente Kritiker des sandinistischen Regimes Ende April 2019 seine Heimat Nicaragua. Die Entscheidung habe sein "Herz weinen lassen", sagte Baez damals, der sich von anhaltenden Morddrohungen nicht einschüchtern lassen wollte.

Richter bezeichnet Bischof Alvarez als "Landesverräter"

Von Miami in den USA aus muss er nun hilflos zusehen, wie an einem Amtsbruder ein drastisches Exempel statuiert wird: Am Freitag (Ortszeit) wurde Rolando Alvarez, Bischof von Matagalpa, im Schnellverfahren zu 26 Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Der zuständige Richter in Managua bezeichnete Alvarez als "Landesverräter", der sich des "Ungehorsams" schuldig gemacht, die nationale Sicherheit untergraben und "Fake News" verbreitet habe. Zusätzlich zur Haftstrafe wurden dem 56-Jährigen die nicaraguanische Staatsbürgerschaft und seine zivilen Rechte entzogen. Er werde nun bis zum 13. April 2049 in Haft sitzen und müsse eine Geldstrafe zahlen, so das Gericht.

Damit hat der Konflikt zwischen Staat und Kirche in Nicaragua eine neue Eskalationsstufe erreicht; Baez warf den Sandinisten nach Bekanntgabe des Urteils via Twitter "irrationalen und ungezügelten Hass" vor. Doch wie konnte es so weit kommen? Noch vor wenigen Tagen sah es so aus, als wäre für Alvarez - nach monatelangem Arrest - die Freiheit zum Greifen nach. Der Heilige Stuhl, die USA und Spanien hatten versucht, für ihn und andere Dissidenten eine Freilassung zu erwirken.

Bischof wollte bleiben

Mit Erfolg: Am Donnerstag wurde eine Chartermaschine bereitgestellt, die mehr als 200 politische Häftlinge aus Nicaragua in die Vereinigten Staaten ausflog. Mit an Bord waren Oppositionspolitiker, Priester und Stundentenführer - praktisch alle namhaften Gegner von Machthaber Daniel Ortega. Auch Ex-Präsidentschaftskandidat Felix Maradiaga wählte den Weg ins Exil. US-Außenminister Antony Blinken sprach von einem konstruktiven Schritt, der die Chance zu einem neuen Dialog eröffne. Spaniens Außenminister Jose Manuel Albares kündigte an, den Abgeschobenen die spanische Staatsbürgerschaft anzubieten.

Doch Alvarez fehlte auf der Passagierliste. Wie aus seinem Umfeld bekannt wurde, weigerte er sich, das Flugzeug zu betreten. Er habe sich zum Bleiben entschieden, um den Katholiken des mittelamerikanischen Landes beizustehen, die unter diktatorischer Repression zu leiden hätten. Der Staatschef reagierte verärgert und ließ den Bischof vom Flughafen zurück in Polizeigewahrsam bringen. In einer öffentlichen Rede beschimpfte Ortega den Geistlichen, weil dieser sich der angeordneten Ausweisung widersetzte. Wenige Stunden später folgte der drakonische Richterspruch.

Bereits im August unter Hausarrest

Alvarez war bereits im August unter Hausarrest gestellt worden. Sein Schicksal sorgt seither international für Aufsehen. Ein Bild, auf dem zu sehen ist, wie er Gott auf Knien um Barmherzigkeit für bewaffnete Polizisten bittet, ging um die Welt. Mit ihm wurden seinerzeit zahlreiche weitere Priester festgenommen. Sie hatten - ebenso wie er - wiederholt die herrschenden Zustände in Nicaragua offen angeprangert.

Derlei Äußerungen sind in dem bitterarmen Land gefährlich. Immer wieder erleiden Regimekritiker "tragische Verkehrsunfälle", mysteriöse Herzattacken oder sie verschwinden plötzlich - und tauchen nie wieder auf. Ernsthafte Untersuchungen solcher Fälle gibt es ebenso wenig wie eine unabhängige Justiz. Der aus Argentinien stammende Papst weiß das, weshalb er die Drohungen gegen Weihbischof Baez ernst nahm und diesen aus Managua abzog.

Mit öffentlicher Kritik am Ortega-Regime hält sich das Kirchenoberhaupt auffällig zurück - wohl um die verblieben diplomatischen Kanäle offen zu halten. Zur Verurteilung von Alvarez gibt es bislang keine Stellungnahme aus dem Vatikan. Baez dagegen nutzt die sozialen Medien, um verbal gegen die Sandinisten zu schießen: "Sie haben ihn nicht verurteilt, sie haben sich selbst verurteilt." Trotzig fügt er hinzu: "Rolando wird frei sein, Gott wird ihn nicht verlassen."

Amerikanische Staaten verurteilen Menschenrechtslage in Nicaragua

Angesichts einer verstärkten Verfolgung von Kritikern haben die USA und weitere amerikanische Staaten die Menschenrechtslage in Nicaragua "scharf verurteilt". Die autoritäre Regierung von Daniel Ortega bedränge zunehmend kritische Stimmen, unter ihnen Journalisten und Vertreter der Kirche, hieß es in einer am Freitag (Ortszeit) verabschiedeten Erklärung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS).

Polizisten in Nicaragua / © Jeiner Huete_P (shutterstock)
Polizisten in Nicaragua / © Jeiner Huete_P ( shutterstock )
Quelle:
KNA
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