Bischof Genn erklärt Maßnahmen im Kampf gegen Missbrauch

Schiedskammern können künftig helfen

Ein Jahr nach Vorstellung eines Missbrauchberichts im Bistum Münster hat Bischof Felix Genn eine Übersicht bisher ergriffener Maßnahmen vorgelegt. Unter anderem nennt er den Umgang mit Gräbern von Missbrauchstätern oder Vertuschern.

Felix Genn, Bischof von Münster, bei der Vorstellung der Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch im Bistum Münster / © Lars Berg (KNA)
Felix Genn, Bischof von Münster, bei der Vorstellung der Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch im Bistum Münster / © Lars Berg ( KNA )

In dem Brief an seine haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden geht es außerdem um Pläne für eine kirchliche Verwaltungsgrichtsbarkeit in seinem Bistum. Der Münsteraner Bischof will sich beim Vorgehen gegen Missbrauchstäter von einer "Haltung der Nulltoleranz" leiten lassen.

"Das gilt nicht nur bei sexuellem Missbrauch im engeren juristischen Sinn, sondern es gilt auch, wenn es sich um sogenannte grenzüberschreitende und unangemessene Verhaltensweisen handelt" Wenn solches Verhalten nicht mit rechtlichen Maßstäben gemessen werden könne, sei es schwierig, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

"Der Kampf gegen sexuellen Missbrauch ist keineswegs vorbei", so Genn in dem fünfseitigen Schreiben. "Betroffene haben neben dem Anspruch auf eine unabhängige Aufarbeitung vor allem einen Anspruch auf ein verändertes Verhalten kirchlicher Verantwortungsträger." 

Der Bischof zog seine Zwischenbilanz auch bei einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend in Münster. Bei der Veranstaltung ging es um die Lage im Bistum ein Jahr nach Veröffentlichung der Aufarbeitungsstudie des Hamburger Historikers Thomas Großbölting.

Eine Schiedskammer für den Verwaltungsakt

Als jüngste Maßnahme nennt Genn eine mögliche Ordnung für eine Schiedskammer, die der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller bis Anfang September vorlegen wolle. Eine solche Kammer könne jeder Bischof errichten, damit Menschen ihre Rechte gegen einen sie betreffenden kirchlichen Verwaltungsakt überprüfen lassen können. "Kirchliche Verwaltungsakte werden so durchschaubarer, transparenter und rechtlich überprüfbar."

Zudem plant Genn eine Disziplinarkammer für Maßnahmen gegen Kleriker wegen Verhaltens im sogenannten "Graubereich". Dabei gehe es um ein grenzüberschreitendes Verhalten, das strafrechtlich nicht relevant ist. "Dies wäre ein wichtiges Instrument, um eine derzeit bestehende Regelungslücke zu schließen", schrieb Genn. Es gewähre zugleich Rechtssicherheit und Transparenz nach rechtsstaatlichen Standards für beide betroffenen Parteien.

Gleichzeitig wirbt Genn um Verständnis, dass die Bekanntmachung von Fällen und Namen für Irritationen und Kritik sorge. Pfarreien fühlten sich schlecht informiert, Medien wunderten sich, warum zwischen der Meldung durch Betroffene und der Veröffentlichung zuweilen Monate vergingen.

Vorschläge für Gräberpflege

Umgekehrt würden Anwälte von Beschuldigten dem Bistum äußerungsrechtliche oder kirchenrechtliche Versäumnisse vorwerfen. Auf jeden Fall erfolgten Veröffentlichungen nur in Absprache mit den jeweiligen Betroffenen.

Zum Umgang mit dem Gedenken an Bischöfe und andere Kleriker, denen Missbrauch oder Vertuschung vorgeworfen wird, hat laut Genn eine gemischte Arbeitsgruppe Vorschläge erstellt. Diese betreffen auch das Umfeld der Bischofsgruft im Dom und sollen in Kürze mit dem Domkapitel beraten werden. Pfarreien, auf deren Friedhöfen Täter beerdigt sind, erhielten verschiedene Vorschläge, wie sie damit umgehen könnten.

Als weitere zwischenzeitlich ergriffene Maßnahmen nennt der Bischof eine überdiözesane wissenschaftliche Studie über geistlichen Missbrauch in der Kirche. Zuletzt schließlich hätten die Diözesen in Nordrhein-Westfalen ein Projekt in Auftrag gegeben, das evaluieren soll, wie wirksam bisherige Präventionsmaßnahmen gegen sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige und Schutzbefohlene sind.

Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch im Bistum Münster / © Lars Berg (KNA)
Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch im Bistum Münster / © Lars Berg ( KNA )

Zwischen 1945 und 2020 mindestens 610 Opfer

Historiker der Universität Münster hatten vor einem Jahr eine Studie zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Bistum Münster vorgelegt. Danach wurden von 1945 bis 2020 mindestens 610 Minderjährige durch Kleriker sexuell missbraucht. Das Dunkelfeld sei vermutlich bis zu zehnmal größer, hieß es. Die Studie geht von rund 200 beschuldigten Klerikern aus. Aufgabe der katholischen Kirche seien Wiedergutmachung, Bestrafung der Täter und Prävention.

Genn betonte in seinem Schreiben, Betroffene hätten neben dem Anspruch auf eine unabhängige Aufarbeitung vor allem einen Anspruch auf ein verändertes Verhalten kirchlicher Verantwortungsträger: "Sie haben einen Anspruch auf das Eingeständnis von Fehlern, auf ehrliche Reue und wirkliche Umkehr, die sich in der Haltung und im Verhalten kirchlicher Verantwortungsträger zeigen muss." 

Felix Genn

Felix Genn wurde in Burgbrohl geboren und wuchs in Wassenach in der Nähe der Benediktinerabtei Maria Laach in Rheinland-Pfalz auf. Sein Abitur machte er in Andernach, woraufhin er Theologie in Trier und Regensburg studierte. 1976 wurde er zum Priester geweiht. Als Kaplan in Bad Kreuznnach sammelte er erste Erfahrungen in der Seelsorge. 1978 wurde er Subregens am Bischöflichen Priesterseminar in Trier. 

Felix Genn, Bischof von Münster / © Harald Oppitz (KNA)
Felix Genn, Bischof von Münster / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd , KNA