DOMRADIO.DE: Eine Lokalzeitung hat mal geschrieben, Malu Dreyer sei in SPD-Kreisen fast schon eine Heilige. Was sagen Sie denn als Bischof dazu?
Bischof Dr. Peter Kohlgraf (Bischof von Mainz): Mit Heiligsprechungen zu Lebzeiten wäre ich generell vorsichtig. Trotzdem ist sie eine große politische Persönlichkeit. Und so habe ich sie auch in persönlichen Begegnungen erlebt.
DOMRADIO.DE: Hat Sie Malu Dreyers Rücktritt denn überrascht?
Kohlgraf: Ich wusste davon nichts. Ich habe sie immer aufgrund ihrer Krankheit und ihrer körperlichen Stärke und ihrer Präsenz bewundert. Das war, glaube ich, ein großer Kraftakt. Das ist mir immer wieder aufgefallen.
DOMRADIO.DE: Als Bischof und Ministerpräsidentin begegnet man sich ja hin und wieder. Was war das für ein Miteinander? Wie haben Sie Malu Dreyer erlebt?
Kohlgraf: Es gab sehr unterschiedliche Begegnungen. Auf offizieller Ebene, in der Begegnung der Bischöfe mit der Landesregierung, waren das sehr sachliche und konstruktive Gespräche, wo wir uns gegenseitig auch die gemeinsamen, aber auch unterschiedlichen Einschätzungen über bestimmte politische Themen gesagt haben.
Ich bin ihr auch mal auf einem Podium hier in der Akademie begegnet. Das war durchaus ein freundliches Gespräch, aber sie war auch eine kritische Katholikin. Das hat sie auch benannt.
Als Politikerin hat sie damals auch sehr deutlich Stellung zur Missbrauchsthematik und zur Aufarbeitung bezogen. Da kann man in der Einschätzung unterschiedlicher Meinung sein. Aber es war gut, dass sie auch da ihre Meinung gesagt hat.
Die Einladung zum Abendessen vor "Mainz bleibt Mainz" einmal im Jahr ist für mich immer ein besonderes Erlebnis gewesen. Das war dann eher ein persönliches Gespräch, aber da waren natürlich auch andere dabei. Das war aber immer eine besondere, herzliche und persönliche Atmosphäre. Ich habe sie sowohl in der politischen Ebene als auch in der persönlichen Ebene immer wieder kennenlernen dürfen. Das war eine Bereicherung.
DOMRADIO.DE: Seit langem ist bekannt, dass Malu Dreyer an der unheilbaren Krankheit Multiple Sklerose leidet. Die Bilder sind einem noch im Kopf, als sie von Kanzlerin Merkel im Ahrtal gestützt wurde. Zu ihrem Rücktritt hat sie gesagt, die Kräfte reichen einfach nicht mehr aus. Wie beurteilen Sie diesen Schritt und den Umgang mit der Krankheit?
Kohlgraf: Sie hat das ja weder vor sich hergetragen noch daraus ein Geheimnis gemacht. Sie hat vielleicht auch Menschen, die an dieser Krankheit leiden, Mut gemacht, dass man damit auch sein Leben sehr selbstbewusst gestalten kann.
Auf der anderen Seite ist es jetzt auch politisch redlich, dass sie sagt, es geht für sie nicht mehr. Denn das Amt fordert Kraft und eine stetige Präsenz. Wenn sie sagt, sie kann das nicht mehr, dann ist das zu respektieren.
Das Interview führte Tobias Fricke.