DOMRADIO.DE: Wie blicken Sie auf diesen Katholikentag in Erfurt zurück?
Ulrich Neymeyr (Bischof von Erfurt): Ich bin sehr erfüllt von den fünf Tagen Katholikentag in Erfurt. Es war ein großes Ereignis für unser kleines Bistum Erfurt. Diejenigen, die schon länger in Erfurt als Katholiken unterwegs sind, haben sich an das große Jubiläum der Heiligen Elisabeth 1981 erinnert gefühlt oder an das Fest der Bistumsgründung 1994.
Wir hatten große, bewegende Gottesdienste, aber auch kleine Andachten, Gebetszeiten und Meditationen, in denen immer wieder das Leitwort des Katholikentags "Zukunft hat der Mensch des Friedens" zur Sprache kam. Wir haben an vielen Orten darum gebetet, dass Gott uns dabei hilft. Denn das bringt ja der Psalm zum Ausdruck: Gott setzt sich dafür ein, Gott stärkt die Menschen, dass der Mensch des Friedens tatsächlich Zukunft hat.
DOMRADIO.DE: Gibt es einen Moment, auf das Sie ganz besonders gerne zurückschauen?
Neymeyr: Mich hat sehr beeindruckt, als am Freitag in Erfurt der erste Stolperstein verlegt wurde. Es gibt zwar in Erfurt schon Gedenkhinweise für Juden, die deportiert wurden, in Gestalt einer Gedenknadel, die sich aber nicht selbst erklärt. Während die Stolpersteine mittlerweile so bekannt sind, dass jeder weiß, welche Bedeutung sie haben.
Und da wurde jetzt der erste vor unserer katholischen Schule verlegt, schön gestaltet von den Schülerinnen und Schülern. Ich fand es schön, dass wir so auch einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten konnten, die auch ein Teil des Friedens ist, den wir zusammen mit den Juden erhoffen.
DOMRADIO.DE: Sie hatten im Vorfeld bedauert, dass einige Podien aus Ihrer Sicht zu einseitig besetzt waren, beispielsweise beim Thema “Paragraph 218”. Ist da noch mal nachgebessert worden oder hätten Sie sich nach wie vor mehr unterschiedliche Positionen gewünscht?
Neymeyr: Es war nicht immer einfach, unterschiedliche Positionen auf die Podien zu bekommen und Gäste dafür zu gewinnen, weil es auch viele Absagen gab. Das habe ich schon bedauert, dass auf manchen Podien nicht wirklich kontroverse Meinungen vertreten waren.
DOMRADIO.DE: Die Katholiken sind in Thüringen eine kleine Minderheit. Was wünschen Sie sich denn, was diese vom Katholikentag mitnehmen sollten?
Neymeyr: Für uns Christen in Erfurt – ich beziehe die evangelischen Christen ein, weil sie sich auch ganz großartig engagiert haben - ist das ein schönes Ereignis, zu sehen, was wir mit unseren begrenzten Kräften geschafft haben. Es haben viele mitgewirkt, auch aus dem Eichsfeld, das von Erfurt immerhin eineinhalb Stunden entfernt ist. Das war ganz großartig. Darauf schauen wir dankbar zurück.
Und es ist natürlich auch schön, fünf Tage als Christen so präsent zu sein in einer Stadt, in der 70 Prozent der Menschen keine Religion haben. Wir sind präsent durch die Kirchengebäude und durch das, was wir tun, etwa bei der Caritas und der Diakonie. Aber jetzt waren wir fünf Tage mit der ganzen Breite des Katholischen präsent: Ob in der Straßenbahn, wo Kirchenlieder gesungen wurden, als sie nicht voran kam. Oder an Ständen, wo man mit Menschen ins Gespräch kam.
Es gab viele große und kleine Diskussionen, aber auch kritische Stände, sogar eine "kirchenfreie Zone". Aber da gab es Dialog. Und das haben die Erfurter mitbekommen: Dass wir uns in der Gesellschaft präsentieren, dass wir uns nicht hinter die Kirchenmauern zurückziehen, dass wir uns mit unseren Positionen einbringen und mit den Menschen diskutieren. Auch mit denen, die keine Religion haben. Das war auch wichtig für unser Selbstbewusstsein, dass wir als Christen in der Stadt etwas zu sagen haben.
DOMRADIO.DE: Sie haben das Thema Ökumene immer wieder betont, bereits zu Beginn nannten Sie den Katholikentag einen “ökumenischen Katholikentag”, weil Sie hier als Christen und Gläubige anderer Religionsgemeinschaften an einem Strang ziehen müssen. Ist das nicht auch ein Modell für die Zukunft von Kirche, wenn immer mehr Menschen austreten? Sollten wir nicht viel häufiger in Bistümer wie Erfurt schauen, um zu sehen, wie es trotzdem noch funktionieren kann?
Neymeyr: Ich glaube nicht nur aus der Not heraus, sondern auch, weil wir uns in unserem Glauben so nahe sind. Es ist einfach wichtig zu sehen, was wir gemeinsam können. Deswegen hatten wir an Fronleichnam den Gottesdienst nicht als Eucharistiefeier gestaltet, denn Fronleichnam ist in Thüringen kein staatlicher Feiertag.
Wir feiern hier traditionell immer abends die Eucharistie. Die war sehr schön und groß und hat allen gut gefallen. Und am Vormittag haben wir eine Art Wort-Gottes-Feier organisiert, bei der die Gegenwart Gottes in seinem Wort gefeiert wurde. Da konnten alle evangelischen Christen - und es waren viele da - prima mitfeiern und waren beeindruckt.
Dann haben wir natürlich auch - weil Fronleichnam das Fest der Eucharistie ist – eine Monstranz nach vorne gebracht und den Gottesdienst mit einem eucharistischen Segen beschlossen. Das ist natürlich für evangelische Christen schwierig. Gerade die Gegenwart Christi außerhalb der Eucharistie oder wie sie sagen, außerhalb des Abendmahls. Aber es hat viele beeindruckt, weil sie so etwas noch nie miterlebt haben und es war ihnen dann doch nicht so fremd, wie sie eigentlich immer gemeint haben.
Also, wir haben auch eine Brücke geschlagen: Nachdenken, diskutieren über die Bedeutung der Eucharistie. Die evangelischen Christen haben ja auch das Abendmahl, aber wir haben andere Formen und da haben sich auch gute Gespräche ergegeben, auch über das Trennende im Glauben.
DOMRADIO.DE: Mit welcher persönlichen Botschaft schicken Sie die Menschen nach Hause?
Neymeyr: Meine Botschaft ist das Leitwort des Katholikentags, das mir sehr naheliegt. Ich hatte es vorgeschlagen, weil ich glaube, dass es gut in unsere Zeit passt und eine Ermutigung ist: Nicht nachzulassen im Einsatz für Frieden auf allen Ebenen des Lebens. Dabei geht es nicht nur um großes politisches Engagement, sondern auch darum, dass man im kleinen persönlichen Umfeld friedlich miteinander auskommt.
DOMRADIO.DE: Jetzt gehen fünf bewegende, sicherlich auch anstrengende Tage für Sie und für Ihr ganzes Team zu Ende, denn das Bistum hat sich schon seit Monaten auf den Katholikentag vorbereitet. Wie erholen Sie sich persönlich ab Montag?
Neymeyr: Ab Montag ist leider noch keine Erholung angesagt, weil bei uns schon am 20. Juni die Schulferien beginnen und die Zeit vor den Schulferien ist immer voller Schulabschlussgottesdienste, Firmungen, Feste und Verabschiedungen. Von daher freue ich mich, wenn die Ferien beginnen, dann werde ich mich in die Berge zurückziehen, um mich zu erholen.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.