"Der russische Angriffskrieg hat nun endgültig eine schon länger gefährdete internationale Ordnung gefährlich geschwächt", so Overbeck. Daher müsse zwar der gerechte Frieden das Ziel bleiben. Daneben müsse sich die Gesellschaft auch wieder verstärkt mit den Kriterien eines gerechten Kriegs beschäftigen, sagte der Essener Bischof in einem Interview der "Rheinischen Post" am Samstag in Düsseldorf.
"Ethisch abgewogen und verantwortlich"
Dem Geistlichen zufolge heißt das nicht, dass nur noch einer militärischen Logik gefolgt würde. "Aber weil der Krieg eine von außen aufgezwungene Realität ist, müssen wir uns dazu verhalten - und zwar ethisch abgewogen und verantwortlich. Denn es gibt keine andere Möglichkeit, einem Diktator wie Putin Widerstand zu leisten. Das kann nicht nur mit Worten geschehen."
Overbeck räumte ein, dass Gewalt immer dazu verführen könne, noch mehr Gewalt anzuwenden. "Von daher bin ich mir bewusst, welch hohe Verantwortung ich übernehme, dies zu begründen. Darin sehe ich übrigens unter anderem auch meine Aufgabe als Militärbischof in diesen Zeiten."
Ende mit der Männerdominanz
Overbeck äußerte sich außerdem auch zur Frage des Zugangs für Frauen zum Diakonen-Amt in der katholischen Kirche. Die Kirche müsse heilfroh sein um jede Frau, die gut predigen könne, eine Gemeinde führe und gewisse Sakramente spende.
Im Bistum Essen seien unter den Gemeinde- und Pastoralreferenten 47 Frauen und Männer dazu ausgebildet und beauftragt worden, zu taufen. Auf der kürzlich im Vatikan beendeten Weltsynode hätten manche das Vorgehen des Ruhrbistums richtig gefunden. "Andere hätten mich lieber ganz woanders hingeschickt."
Diakone dürfen in der katholischen Kirche unter anderem taufen, verheiraten und beerdigen, nicht aber die Messfeier leiten oder Beichte hören. Auch Frauen waren in der frühen Kirche als Diakoninnen in speziellen Diensten der Gemeinde tätig. Heute ist das Amt jedoch Männern vorbehalten.
Heftiger Widerspruch in Rom
Im Abschlussdokument der Weltsynode gebe es eine Formulierung, dass die Frage des Zugangs für Frauen zum Diakonat noch offen sei, so Overbeck. "Für die Kirche in Deutschland, die diese Frage längst kennt, ist dies nur ein kleiner Schritt. Doch es ist ein großer Schritt für die Universalkirche."
Auf der Synode habe es teils heftigen Widerspruch zum Diakonat der Frau gegeben - von Bischöfen anderer Kontinente, aber auch von einzelnen europäischen Bischöfen. "Eine Einheitlichkeit ist in dieser Frage in der katholischen Kirche nicht mehr gewährleistet."
Overbeck argumentierte: "Tradition hat im Verstehen der Menschen heute sehr viel mit Glaubwürdigkeit zu tun und mit Seelsorge." Diese Maßgaben zeigten, wie sich die Kirche gerade verändere. "Die Frage der Glaubwürdigkeit ist in diesem Sinne ein höheres Kriterium als dogmatische Überlegungen."
Wohin die Diskussion über die Rolle der Frau in der Kirche noch führen werde, könne er nicht sagen, so Overbeck.
"Ich habe aber den Eindruck, dass nicht wenige versuchen, das klassische Profil des Priesters alleine zu profilieren. Das wird aber nicht gelingen, allein aus dem Grund, weil es an zölibatär lebenden Männern fehlen wird, die Priester sind beziehungsweise werden wollen."
Ende mit der Männerdominanz: Der Essener Bischof Overbeck ist dafür, Frauen zum Diakonen-Amt in der katholischen Kirche zuzulassen. Wann es soweit sein wird, kann er jedoch nicht sagen.
21 Kardinäle, nur 8 Europäer
Des Weiteren sprach Overbeck die Rolle der katholischen Kirchen Europas in der Weltkirche an. Das Gewicht Europas in der katholischen Kirche nimmt nach seiner Ansicht ab. "Alle Entwicklungen deuten darauf hin, dass sich die Kirche noch stärker enteuropäisieren wird", so Overbeck. "Das wird mit Sicherheit ihr Gesicht verändern."
Overbeck bezog sich auf die jüngsten Kardinalsernennungen von Papst Franziskus. Das Kirchenoberhaupt hatte im Oktober 21 neue Kardinäle ernannt, darunter acht Europäer, aber kein Deutscher.
Kein großer Fokus auf Europa
An der Ernennungspolitik von Papst Franziskus könne man sehen, dass er eher keinen großen Fokus auf Europa lege, führte Overbeck aus. Bisher sei die Kirche - auch aufgrund ihrer Missionsgeschichte - eine von Europa aus organisierte und auch evangelisierende Kirche gewesen.
"Das verschiebt sich gerade." Nicht zu unterschätzen sei dabei, dass sich die Kardinäle untereinander immer weniger wirklich kennen würden. "Hier bleibt viel zu tun."
Für ihn sei eine wichtige Frage, wie man die Kirche dezentral führen könne, ohne sich der Einheitsmuster des 19. Jahrhunderts zu bedienen, so Overbeck. Das werde auch zu einer Reifeprüfung des Glaubens. "Wenn man es klug macht, kann es gelingen; wenn man den Bogen überspannt, kann es zu Trennungen, Spaltungen kommen. Das möchte ich helfen zu verbinden."