Bischof Overbeck warnt vor Bedeutungsverlust der Kirche

"Kirche muss sich immer wieder reformieren"

Die Kirchen stecken in der Krise. Dass Reformen hermüssen, ist Konsens. Ruhrbischof Overbeck betont den Nutzen der Ökumene, EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich wünscht sich Kirche als "Ermöglichungsraum".

Bischof Franz-Josef Overbeck / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Franz-Josef Overbeck / © Harald Oppitz ( KNA )

"Ich bin katholisch, weil es auch die Reformation gibt", sagte Overbeck am Montagabend in Essen. "Und zwar deswegen, weil die Kirche sich immer wieder reformieren muss." Daher sei es wichtig, die Ökumene zu stärken. Nur gemeinsam könnten die Kirchen auf der Basis gemeinsamer Werte nach außen zeigen, "warum wir Christen sind."

In einer Podiumsdiskussion des Politischen Forums Ruhr zum Thema "Wenn die Glocken nicht mehr läuten. Christliches Abendland ohne Christen - Warum Kirche?" äußerte sich der Essener Bischof auch zum Bedeutungs- und Akzeptanzverlust der Kirche. Sie befinde sich in einer Situation, "wie wir sie die letzten 200 Jahren noch nicht gehabt haben". Die Menschen lebten in einer säkularen Welt und wählten religiöse Angebote nach ihrem jeweiligen Bedarf, sie suchten sich Spiritualität "fern der Institutionen".

Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD / ©  epd-bild/Jens Schulze (epd)
Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD / © epd-bild/Jens Schulze ( epd )

Um die Menschen zu erreichen, müsse die Kirche Themen der Freiheit, Gerechtigkeit und Soziales aufgreifen, riet der katholische Theologe. Er stehe als Essener Bischof für eine "erneuerte Kirche", die deutlich kleiner werde, sagte er in der Diskussion, die von der Journalistin und Moderatorin Tanit Koch moderiert wurde.

"Mut zur Veränderung"

Es brauche "ganz viel Mut zur Veränderung", sagte die Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich. Kirche sei "kein Selbstzweck". Heinrich zeichnete ein Bild der Kirche als "Ermöglichungsraum, damit Menschen von Jesus Christus erfahren können, dass sie Gott erleben können".

Die evangelische Kirche sei nicht statisch, sondern könne sich "auch immer wieder verändern", sagte sie. Die Menschen müssten bei den "Lebensübergängen" des 21. Jahrhunderts stärker unterstützt werden: "Die Menschen erwarten, dass wir ihnen dieses bisschen mehr geben", sagte die Vorsitzende der EKD-Synode.

"Kirche wird nicht untergehen"

Auch Stefan Vesper, ehemaliger Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hob die Notwendigkeit von Veränderungen hervor und verwies auf den katholischen Reformprozess Synodaler Weg.

Stefan Vesper / © Bert Bostelmann (KNA)
Stefan Vesper / © Bert Bostelmann ( KNA )

In der katholischen Kirche müssten die Machtfrage, die Rolle der Frau und das "Priestersein" überdacht werden, sagte der Vorsitzende der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus. "Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Kirche nicht untergehen wird."

Zugleich kritisierte Vesper, dass führende Vertreter der katholischen Kirche den Reformprozess behinderten. Es sei schade, dass unter den 27 Bistümern in Deutschland die "Gemeinschaft nicht so weit geht, dass man in großen Mehrheiten vorangeht, sondern dass wenige das behindern können".

Kirche als "Trostspender"

Günther Jauch / © Soeren Stache (dpa)
Günther Jauch / © Soeren Stache ( dpa )

TV-Moderator Günther Jauch schlug vor, die Kirche solle eine Rolle als "Trostspender" übernehmen. Das sei eine Aufgabe, die nicht an die Politik und den Staat delegiert werden dürfe. Jauch bedauerte, dass in Ostdeutschland die Zahl der Menschen, die einer Kirche angehören, verschwindend gering sei. "Christliche Wurzeln sehe ich da kaum mehr", beklagte der in Potsdam lebende Journalist.

Nach Einschätzung der Religionswissenschaftlerin Regina Laudage-Kleeberg findet die katholische Kirche mittlerweile selbst im inneren Kreis ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer weniger Unterstützung. "Wir vertreiben unsere Leute - und das ist ein Problem", sagte

Regina Laudage-Kleeberg / © Nicole Cronauge (privat)
Regina Laudage-Kleeberg / © Nicole Cronauge ( privat )

die Autorin des Buches "Obdachlos katholisch", die auf Distanz zur Institution Kirche gegangen ist. In der katholischen Kirche gebe es "Top drei der Menschenverachtung", kritisierte Laudage-Kleeberg: eine Benachteiligung von Frauen, eine Diskriminierung von queeren Menschen und einen «katastrophalen Umgang mit sexualisierter Gewalt».

Bistum Essen

Das Bistum Essen ist eines der jüngsten und kleinsten unter den 27 römisch-katholischen Bistümern in Deutschland. Auch in Nordrhein-Westfalen ist es mit 1.877 Quadratkilometern und knapp 680.000 Mitgliedern das kleinste Bistum.

Es wurde am 1. Januar 1958 aus Teilen der (Erz-)Bistümer Köln, Münster und Paderborn errichtet; damals zählte die Diözese noch rund 1,5 Millionen Mitglieder.

Blick auf den Essener Dom / © frantic00 (shutterstock)
Quelle:
KNA