DOMRADIO.DE: Sie haben sich mit namenlosen Frauen aus der Bibel beschäftigt. Eine von ihnen ist die Königin von Saba. Was erfahren wir über sie in der Bibel?
Prof. Hildegard König (Professorin für Kirchengeschichte an der TU Dresden): Wir erfahren in der Bibel im ersten Buch der Könige, dass sie den Ruf des Königs Salomo als einen besonders weisen und potenten Monarchen erfahren hat und dass sie sich aufgemacht hat, um diese Weisheit zu testen. So soll es dann zu einer Begegnung zwischen den beiden gekommen sein.
DOMRADIO.DE: Ist die Königin von Saba eine historische Person oder ist sie eine Fiktion, war sie ein Mythos?
König: Außerhalb der Bibel haben wir keine Nachrichten und Zeugnisse von der Existenz der Königin von Saba - übrigens auch nicht von König Salomo. Der ist in der Bibel sehr präsent. Aber es gibt keine archäologischen Zeugnisse von ihm, von seiner Existenz und auch keine außerbiblischen Quellen, die auf ihn hinweisen.
In der Heiligen Schift kommt die Königin von Saba im ersten Buch der Könige vor. Derselbe Text wird noch einmal zitiert im zweiten Buch der Chronik und dann einmal mit einem kurzen Zitat im Matthäusevangelium und ebenso im Lukasevangelium.
DOMRADIO.DE: Was hatte diese Frau Besonderes an sich? Was erfährt man in der Bibel über sie?
König: Über diese Frau erfahren wir, dass sie eine Königin ist, eine Regentin im Süden. Wir lokalisieren das Sabäer-Reich, das es tatsächlich in der südwestlichen Ecke der arabischen Halbinsel gab. Wir erfahren von ihr, dass sie superreich gewesen sein muss und neugierig. Denn dieser König Salomo mit seiner Weisheit hat sie offensichtlich angesprochen.
DOMRADIO.DE: Wie kommt es, dass sie eine Königin ist und noch nicht einmal einen Vornamen hat. Die Männer, die Könige sind, haben in der Bibel doch alle Namen, oder nicht?
König: Ja, in der Regel haben Könige Namen, wobei die nicht so entscheidend sind. Wenn wir von der Queen sprechen, wissen wir alle, wer das ist. Wir müssen nicht sagen, dass das Queen Elizabeth ist. Von daher ist der Name in diesem Fall gar nicht von Bedeutung.
Diese Frau ist in ihrer Funktion von Bedeutung, nämlich als Königin auf der einen Seite und auf der anderen Seite als eine Idealfigur, die bestimmte Eigenschaften in sich vereinigt: Dieser sagenhafte Reichtum, aber auch ihre Klugheit und vor allem ihre Schönheit, ihre Anziehungskraft werden ihr in der Tradition zugeschrieben.
DOMRADIO.DE: Im Buch mit dem Titel "Zeigt euch! 21 Porträts namenloser Frauen der Bibel", das sie mit zwei anderen Autorinnen herausgebracht haben, haben Sie ein imaginäres Zeitreise-Interview getextet. Sie haben also ihre eigene Interpretation dessen miteingebracht wie die Begegnung zwischen der Königin von Saba und König Salomo gewesen sein könnte. Wo haben Sie die Informationen hergeholt und wie fiktiv ist das Ganze geworden?
König: Die Informationen über den Kontext biblischer Erzählungen erarbeitet man sich aufgrund der exegetischen Analysen und der religionsgeschichtlichen Befunde, die wir aus der Zeit um 1000 vor Christus haben und die im Alten Orient angesiedelt sind.
In der exegetischen Debatte der letzten Jahrzehnte gibt es einen gewissen Konsens, dass König Salomo eine Idealfigur ist, also eine Gestalt eines idealen Königs, die sozusagen für die Identität des Volkes Israel als Königtum entscheidend war. Dieser Salomo ist also eher eine Fiktion als eine historische Größe. Das gilt eben auch für die Königin von Saba.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen denn dann Erzähltradition oder Erzählabsichten der damaligen Zeit, wie eine mächtige Frau dargestellt wird?
König: Die Erzählabsichten sind natürlich immer auf der Seite des Erzählenden oder der Erzähl-Gemeinschaft, in der dieser Text entsteht. Hier geht es vor allen Dingen darum, Salomo als idealen König anzusehen, der aufgrund seiner Frömmigkeit, seiner Gott-Bezogenheit mit allem ausgestattet wird, was einen guten König ausmacht.
Dass der sich dann auch ins Negative entwickelt, steht auch in der Bibel. Das will transportieren, dass ein idealer König nur solange ideal ist, wie er in Beziehung zu seinem Gott bleibt.
DOMRADIO.DE: Heißt das, die Königin von Saba hat eine Nebenrolle gespielt?
König: Nein, in dieser Geschichte spielt sie keine Nebenrolle, weil sie sozusagen die Gegenspielerin des Königs Salomo ist. Mit ihrem Reichtum und mit ihren eigenen Potenzen, mit denen sie kommt, überhöht sie diesen König Salomo noch einmal. Eine Nebenrolle ist das meines Erachtens nicht. Und in meiner Erzählung wird sie eben zur Hauptrolle.
Gereizt hat mich an dieser Geschichte das, was in der Exegese diskutiert wird: Dass es keine historische Grundlage gibt, sondern, dass es tatsächlich um einen Mythos geht, um die Vorstellung davon, wie ein ideales Königtum aussieht. Es geht um die Frage, wie eine ideale Beziehung zwischen einer Regentin und einem Regenten aussieht?
In meinem Buch sage ich schon am Anfang, dass die Königin dieses Interview nur deshalb gibt, weil sie selber die Hand auf ihrer eigenen Mythenbildung haben möchte. Sie möchte selber mitgestalten, was man von ihr in Zukunft sagt - nämlich, dass sie sagenhaft schön und klug war.
Das Interview führte Dagmar Peters.