Hamburgs Erzbischof Stefan Heße (54) und Kölns Weihbischof Dominikus Schwaderlapp (53) haben dem Papst ihren Rücktritt angeboten. Sie ziehen damit Konsequenzen aus dem am Donnerstag vorgestellten Rechtsgutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln. Heße war früher Personalchef und Generalvikar in Köln.
Von sich aus zurücktreten können die beiden nicht. Sie müssen im Amt bleiben, bis der Papst ihr Angebot annimmt. Wie ein Bischof bis dahin seine Amtsführung gestaltet, ist eine andere Frage. Heße etwa lässt seine Amtsgeschäfte ruhen. Dennoch bleibt er Erzbischof von Hamburg.
Auch Schwaderlapp bleibt offiziell Weihbischof in Köln, auch wenn er keine Aufgaben mehr stellvertretend für den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki übernehmen darf. Von diesen Aufgaben - etwa Jugendliche firmen - hat ihn Woelki entbunden.
Was sagt das Kirchenrecht?
Der nun vom Kirchenrecht vorgesehene Weg kann über die Bischofskongregation in Rom führen, muss es aber nicht. Beide werden vermutlich ein formales Schreiben an den Päpstlichen Nuntius in Berlin gerichtet haben oder dies noch tun. Der Brief geht dann an das vatikanische Staatssekretariat und von dort auf den Schreibtisch des Papstes.
Der kann schnell entscheiden, nur aufgrund des vorliegenden Rücktrittsgesuches. Er kann sich aber auch in der Bischofskongregation zusätzlich erkundigen. Wann und wie er entscheidet, ist allein seine Sache. In den aktuellen Fällen aus Deutschland ist denkbar, dass Franziskus die Rücktrittsangebote zügig annimmt, "auch als Signal nach außen", wie Kurienkreise vermuten. Die Bischofskongregation würde erst dann wieder tätig, wenn es um eine Nachfolge geht.
Bei normalen Rücktrittsangeboten etwa aus Altersgründen ist in der Regel erst einmal sie zuständig. Liegen andere, schwerwiegende Gründe vor, beginnt in der Behörde ein Verfahren, in dem es um Kirchenrecht, Verwaltungsvorschriften, aber auch um Kirchenpolitik, Diplomatie und menschliche Schicksale geht. Ob aus dem Verwaltungsverfahren unter Umständen ein Strafverfahren wird, entscheidet sich im Verlauf.
Auch solche Fälle kann der Papst an sich ziehen. Insbesondere bei Kardinälen wird er selber genauer hinschauen. Als etwa Lyons früherer Erzbischof Kardinal Philippe Barbarin wegen eines gegen ihn laufenden Gerichtsverfahrens seinen Rücktritt anbot, nahm Franziskus diesen zunächst nicht an. Einen Anspruch auf Annahme des Amtsverzichts hat ein Bischof nicht.
Neben Altersgrenze zwei weitere Anlässe
Neben der Altersgrenze kennt das kirchliche Gesetzbuch, der Codex Iuris Canonici, in Kanon 401 § 2 zwei weitere Anlässe für Rücktrittsangebote: Wenn er wegen "angegriffener Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund nicht mehr recht in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen", wird er "nachdrücklich" gebeten, den Amtsverzicht anzubieten. Das lässt Spielraum.
Rechtlich entscheidet nur der Bischof selbst, ob Gründe für ein Rücktrittsangebot vorliegen. Heße und Schwaderlapp sehen diese Gründe in ihren Fällen gegeben. Ist der Vatikan von sich aus der Meinung, ein Bischof solle auf sein Amt verzichten, kann ihn die Bischofskongregation zu dem Angebot auffordern. Als weitere Instrumente zur Entfernung von einem Posten stehen Versetzung und Amtsenthebung zur Verfügung.
In Deutschland noch lebhaft in Erinnerung ist der Streit um den früheren Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst (2008-2014). Nach einer Visitation durch Kardinal Giovanni Lajolo wurde der Paderborner Weihbischof Manfred Grothe als Apostolischer Administrator eingesetzt. Am Ende bot Tebartz-van Elst im Oktober 2013 seinen Rücktritt an, den Papst Franziskus aber erst Ende März 2014 annahm.
Im Zuge des Missbrauchsskandals in Chile stellten fast alle Bischöfe des Landes im Mai 2018 dem Papst gemeinsam ihre Ämter zur Verfügung.
Doch Franziskus ließ sich Zeit. Jeder Fall wurde einzeln geprüft; inzwischen ist rund ein Drittel der Rücktrittsangebote angenommen. Der Rest muss - oder darf - im Amt bleiben.
Entscheidung "nach Abwägung aller Umstände"
Ob der Papst ein Rücktrittsangebot annimmt, entscheidet er "nach Abwägung aller Umstände", heißt es im Codex. Er wird in Konflikt- oder Streitfällen neben dem Kirchenrecht auch die pastorale, politische Situation im Bistum oder die persönliche Lage der Betroffenen mitbedenken.
Grund für einen Wechsel in der Bistumsleitung ist die Tatsache, dass "eine fruchtbare Ausübung des bischöflichen Amtes" nicht mehr möglich oder die Einheit einer Diözese nicht mehr gewahrt ist. Beide Sachverhalte müssen für den Vatikan aber überzeugend nachgewiesen sein.