Bolsonaro-Anhänger stürmen Brasiliens Regierungsviertel

"Terroristen und Faschisten"

Der Sturm auf das US-Kapitol in Washington im Januar 2021 hat sich nun in Brasilien wiederholt. Präsident Lula da Silva sprach von "Terroristen und Faschisten". Kardinal Odilo Scherer kritisierte die Ausschreitungen scharf.

Autor/in:
Thomas Milz
Brasilia: Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro stehen auf dem Dach des Kongressgebäudes / © Eraldo Peres (dpa)
Brasilia: Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro stehen auf dem Dach des Kongressgebäudes / © Eraldo Peres ( dpa )

Tausende Anhänger des ehemaligen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro haben am Sonntagnachmittag (Ortszeit) den Kongress, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast in Brasiliens Hauptstadt Brasilia gestürmt und verwüstet.

Während Medien von einem versuchten Umsturz sprechen, verurteilte der am 1. Januar angetretene Präsident Luiz Inacio Lula da Silva die Aktion als "Akt von Vandalen, Terroristen und Faschisten".

Kirche in Brasilien

Mit geschätzt rund 125 Millionen Katholiken (nach offiziellen Taufzahlen des Vatikan 171 Millionen) ist Brasilien das größte katholisch geprägte Land der Welt. Angesichts enormer sozialer Gegensätze ist das Engagement der Kirche für Arme und Entrechtete weithin anerkannt; Brasilien ist einer der Ausgangspunkte der sogenannten Theologie der Befreiung. Zugleich macht der katholischen Kirche eine wachsende Zahl protestantischer und evangelikaler Kirchen und Sekten ihre Rolle streitig.

Mann in Brasilien im Gebet / © Leo Correa (dpa)
Mann in Brasilien im Gebet / © Leo Correa ( dpa )

150 Personen verhaftet

Gegen 19 Uhr (Ortszeit) konnte die Polizei die Kontrolle über die Gebäude erlangen. Rund 150 Personen wurden laut Medienberichten verhaftet. "Lula" machte die Regierung des Hauptstadtdistrikts für die Ausschreitungen verantwortlich. So sollen nur wenige Polizisten zum Schutz des Regierungsviertels eingesetzt worden sein, obwohl die Demonstration der Bolsonaro-Anhänger seit Tagen angekündigt worden war. Nahezu ohne Widerstand der Polizei konnten so die Angreifer in die Gebäude eindringen und diese verwüsten. Fernsehbilder zeigen zerstörte Möbel und Scheiben in den Gebäuden.

Lula, der sich am Sonntag im Bundesstaat Sao Paulo aufhielt, kündigte Ermittlungen und eine harte Hand gegenüber den Angreifern und den Hintermännern an. Zudem entzog er der Regierung des Hauptstadtdistrikts die Kontrolle über den Sicherheitsapparat und setzte einen Beamten des Justizministeriums ein.

Auch die Kirche kritisierte die Ausschreitungen. "In einem demokratischen Zusammenleben ist für so etwas kein Platz", schrieb der Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Odilo Scherer, auf Twitter.

"Es ist nun notwendig, die Gemüter zu beruhigen. Wer respektiert werden will, muss selbst auch respektieren."

Lula gewann Stichwahl

Lula hatte am 30. Oktober mit weniger als 2 Prozent Vorsprung die Stichwahl gegen den Amtsinhaber Bolsonaro gewonnen. Der Rechtspopulist hatte seine Niederlage jedoch nicht eingestanden.

Stattdessen ermunterte er seine Anhänger, gegen Lulas Sieg zu protestieren. So sperrten Bolsonaro-Anhänger über Wochen landesweit Straßen. Zudem kampieren Tausende vor den Kasernen, um das Militär zu einem Putsch aufzufordern.

Die Bolsonaro-Anhänger halten Lula für korrupt. Er war zwar wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt und seit dem Jahr 2018 für 580 Tage inhaftiert worden. Die Urteile waren jedoch wegen Prozessfehlern und Befangenheit des Richters annulliert worden, so dass Lula bei den Wahlen Ende 2022 antreten konnte. Bolsonaro hatte Lula während des Wahlkampfs jedoch weiterhin als "Dieb" bezeichnet.

Zudem hatte Bolsonaro während seines Mandats immer wieder das Oberste Gericht verbal angegriffen und den Richtern mit ihrer Absetzung gedroht. Diese hatten gegen ihn und seine Anhänger wegen Fake-News-Kampagnen ermittelt. Anlässlich des Sturms auf das Capitol in Washington am 6. Januar 2021 hatte Bolsonaro erklärt, dass solch ein Vorfall auch in Brasilien denkbar sei.

Bolsonaro hatte bereits am 30. Dezember Brasilien verlassen. Das sollen ihm seine Anwälte geraten haben, um nicht für mögliche Unruhen verantwortlich gemacht zu werden. Der Ex-Militär hält sich seitdem im amerikanischen Florida auf. Inwieweit er in die Planung der Proteste und die Angriffe auf das Regierungsviertel direkt involviert war, ist bisher noch unklar.

Quelle:
KNA