Bonifatiuswerk stellt Buch zum Umgang mit Austritten vor

"Zum Dialog ermutigen"

Das Bonifatiuswerk hat sich Gedanken zu pastoralen Fragen und Antworten rund um Kirchenaustritte gemacht. Dazu hat das Hilfswerk nun eine Arbeitshilfe erstellt. Im Oktober kommt sie raus. Generalsekretär Georg Austen stellt sie vor.

Autor/in:
Elena Hong
Symbolbild Leere Kirchenbänke / © Maria Irl (KNA)
Symbolbild Leere Kirchenbänke / © Maria Irl ( KNA )

DOMRADIO.DE: "Drinnen, draußen, (n)irgendwo? Pastorale Fragen und Antworten rund um den Kirchenaustritt" ist der Titel dieses neuen Buches. Worum geht es darin? 

Monsignore Georg Austen / © Wilfried Hiegemann (Bonifatiuswerk)

Msgr. Georg Austen (Generalsekretär und Hauptgeschäftsführer des Bonifatiuswerkes): Jedes Jahr erscheinen die aktuellen Zahlen der Kirchenaustritte in Deutschland. Immer wieder wird dann Entsetzen und Bedauern geäußert. Zweifelsohne ist jeder Austritt mit der zu respektierenden Entscheidung und auch den Konsequenzen schmerzhaft für uns. Die Frage kommt dann immer mehr: Bin ich doch drinnen? Bin ich draußen? Und wenn ich irgendwo an Gott glaube, wo bin ich dann? Bin ich irgendwo? Bin ich nirgendwo? 

Hinter jeder Austrittszahl, die uns dort genannt wird, steckt ja eine Lebens- und Glaubensgeschichte. Das ist schmerzhaft. Wie begegnen wir den Menschen und wie gehen wir auch pastoral mit der Situation um?

Da gilt es, nicht nur beim Bedauern stehenzubleiben. Das ist uns ein Anliegen im Bonifatiuswerk. Aber wir müssen auch sehen, wie wir fragmentarisch mit allen Steinbrucharbeiten dort umgehen können. 

DOMRADIO.DE: Das Buch richtet sich sowohl an Menschen, die hauptberuflich in der Kirche tätig sind, als auch an ehrenamtlich Engagierte. Es ist ja oft so, dass sie die Menschen, die austreten, gar nicht richtig persönlich kennen. Vielmehr bekommt man dann eine Namensliste, auf der diese Namen draufstehen. Würden Sie trotzdem im Nachhinein eine Kontaktaufnahme empfehlen?

Austen: Es ist auf jeden Fall wichtig, in aller Sensibilität und Offenheit und in allem Respekt miteinander in den Dialog zu kommen oder zu bleiben. Vielleicht ist das am Anfang nicht oder nur bei einem kleinen Teil möglich. Es ist aber wichtig, dass man spürt, dass man der Gemeinschaft als Menschen nicht egal ist. Vielleicht kommt man ja auch über die Gründe ins Gespräch. 

Ich merke, dass mir immer mehr Menschen begegnen, die getauft und später ausgetreten sind, die aber trotzdem sagen, dass sie in irgendeiner Verbindung oder auch karitativ tätig bleiben. Ob das in Taufgesprächen ist, ob das bei Beerdigungen ist, ob das im kulturellen Bereich ist, wir begegnen diesen Menschen.

Das sind inzwischen aus den letzten Jahren Millionen. Dabei ist eine große Frage für unsere Kirchen, wie wir denen begegnen und in den Dialog kommen oder im Dialog bleiben können. 

DOMRADIO.DE: Die Gründe für einen Austritt können ganz unterschiedlich sein. Manche können vielleicht nichts mehr mit dem Glauben anfangen, andere wollen die Kirchensteuer sparen oder es liegt an den Missbrauchsskandalen in den letzten Jahren. Welche Gegenargumente kann man da anführen? Welche Gründe kann man nennen, um vielleicht auch zu bleiben? 

Austen: Zum einen ist für mich ganz klar, dass diese Entscheidung zu respektieren ist. Das gilt auch für die Konsequenzen, die sich aus der Glaubensgemeinschaft ergeben. Das hat aber sehr verschiedene Aspekte. Einerseits sind das kirchenrechtliche, theologische und pastorale Fragen.

Für die Kirche als Arbeitgeber stellt sich zudem die Frage, wie man ins Gespräch kommen kann und was das bedeutet. Wichtig ist wirklich, mit den Leuten erst mal ins Gespräch zu kommen und Angebote zu haben – auch geistliche, wenn sie uns in Gottesdiensten begegnen oder wenn es Berührungsmomente gibt. 

Natürlich sind die Gründe oftmals persönlich. Ich kann für mich sagen, dass mir das Evangelium Halt und Zuversicht gibt, aber auch eine Orientierung für mein Leben ist. Das ist ein Lebensprozess, das kann sich im Leben auch mit verändern. Auch das große karitative Engagement über die Kirche hinaus, was ich erlebe und das solidarische Engagement sind zu nennen. Und ob ich in Buenos Aires oder am Nordkap in einen Gottesdienst gehe, ich bin in der Weltkirche zu Hause. Das sind einige Gründe, aber die Entscheidung ist immer persönlich. 

Die andere Frage, die sich für uns auftut, ist, welchen Mehrwert wir durch die Kirche und durch den Glauben haben. Da geht es darum, wo ich authentische Menschen erlebe, die mir Zeugnis vom Glauben geben. Wie kann ich dort hineinwachsen und wie kann ich für mich auch einen Weg mit dieser Gemeinschaft finden? 

DOMRADIO.DE: Das Buch ist als eine Art Arbeitshilfe konzipiert. Es geht um praxisrelevante Anregungen. Haben Sie da ein paar Beispiele? 

Austen: Zum Beispiel, wie ich in der Gemeinde einladen und für Menschen aufmerksam werden kann. Dann geht es um geistliche Zugänge, aber auch um Fragen, die sich rund um ein Arbeitsverhältnis ranken. Und es geht um das Spannungsverhältnis, getauft zu bleiben, denn das bleibt man auch, wenn man trotzdem aus der Kirche austritt. 

Wie müssen wir damit umgehen, wenn Menschen sagen, dass sie auch weiterhin ihren Glauben leben und auch weiterhin kommen möchten? Was heißt das für uns, wie gehen wir damit um? Es geht auch darum, wie ich dort einige Tipps finden kann, um ohne Berührungsängste, wenn es gewollt ist, ins Gespräch zu kommen und wo ich Möglichkeiten in der Gemeinde habe, um pastorale Angebote zu schaffen. 

Das sind jetzt nicht Best Practices, aber wir haben versucht in ganz Deutschland einfach mal in den Bistümern abzufragen, wo es schon Handlungsmodelle gibt. Dazu soll diese Arbeitshilfe anregen. Sie soll zum Dialog ermutigen, um in diesen Diskurs einzusteigen und zu zeigen: Wir wollen nicht dabei stehenbleiben, wir wollen nicht ermüden, das Evangelium in die Welt zu tragen und Menschen auch den Wert einer Glaubensgemeinschaft weiterzugeben – in allem Respekt auch vor der persönlichen Entscheidung. 

Das ist die Herausforderung, nicht nur zu bedauern, sondern weiter zu gehen und zu gucken, wie wir es miteinander auch angehen und umsetzen können.

Das Interview führte Elena Hong.

Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken

Das Bonifatiuswerk wurde 1849 in Regensburg bei der dritten Generalversammlung der Katholischen Vereine Deutschlands – einem Vorläufer der heutigen Katholikentage – als „Bonifacius-Verein für die kirchliche Mission in Deutschland“ gegründet. Namensgeber ist der als Apostel der Deutschen geltende heilige Bonifatius (672/675-754).

Bonifatiuswerk / © Andreas Kühlken (KNA)
Bonifatiuswerk / © Andreas Kühlken ( KNA )
Quelle:
DR