Brandenburg bekommt ersten Antisemitismusbeauftragten

Israel im Herzen

Er ist sehr vielseitig, war ursprünglich Polizist, nicht-praktizierender Mormone, Organist, erst in der FDP, dann bei den Linken und engagierter Streiter für jüdische Belange. Das brachte Andreas Büttner sein neues Amt ein.

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Benjamin Lassiwe
Kippas / © David Cohen 156 (shutterstock)

"Merav war eine junge Frau. Sie liebte es, zu tanzen", sagte Andreas Büttner. Es war am 23. November 2023, wenige Wochen nach dem Angriff der Hamas auf Israel. Der Abgeordnete der Linken stand am Rednerpult des Brandenburger Landtags und berichtete von einer Reise nach Jerusalem. Von jungen Leuten, die sich auf dem Markt Mahane Yehuda zum Tanzen trafen. Eine von ihnen - Merav - forderte Büttner zum Tanzen auf. "Ich werde nie wieder mit Merav tanzen, weil Merav Teilnehmerin des Rave in Südisrael war", sagte Büttner. "Merav ist tot. Sie wurde ermordet." Als der Abgeordnete aus dem uckermärkischen Templin seine Rede hielt, debattierte das Parlament über einen Antrag, in Brandenburg einen Antisemitismusbeauftragten zu installieren.

Andreas Büttner / © Benjamin Lassiwe (KNA)
Andreas Büttner / © Benjamin Lassiwe ( KNA )

Dieses Projekt ist nun vollendet: An diesem Mittwoch ist Büttner in das neue Amt gewählt worden. Und die Rede aus dem November spielte sicher eine Rolle, als sich der Linken-Abgeordnete, den seine Fraktion eigentlich schon auf Platz acht der Landesliste für die Landtagswahlen im September gewählt hatte, im Hauptausschuss des Landtags gegen gut 30 Konkurrenten durchsetzte.

Polizist, Mormone, Orgelspieler

Wer ist dieser Büttner, der nun erster Antisemitismusbeauftragter des Landes Brandenburg wird? Ein nicht-praktizierender Mormone, von Hause aus Polizeibeamter, einst Fraktionsvorsitzender der FDP und nach deren Ausscheiden aus dem Landtag 2014 spektakulär zur Linken übergetreten. Ein Politiker, der in kein Klischee passt: Der in evangelischen Kirchen Orgel spielt, sich für den Christopher-Street-Day stark macht, und im Gesundheitsausschuss des Landtags von seinen Sorgen als Vater eines Kindes mit Handicap berichtet.

Er ist ein Mann, der ebenso Staatssekretär im Gesundheitsministerium sein konnte wie verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Ein Zugezogener, der in einem kleinen Dorf bei Templin sein Glück gefunden hat, und das Leben in der Großstadt ebenso kennt wie die Sorgen und Nöte des ländlichen Raums. Aber eben auch ein großer Freund des Judentums und des Staates Israel.

Schon in seiner ersten Parlamentskarriere, als Bildungspolitiker der FDP, unterstützte Büttner die Schaffung des Abraham-Geiger-Kollegs, der Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner, an der Universität Potsdam. Dafür verlieh ihm dessen damaliger Direktor Walter Homolka die Abraham-Geiger-Plakette. Im Landtag war er einer der Vorsitzenden des Freundeskreises Israel. "Die Bekämpfung des Antisemitismus ist ein dauerhaftes Problem", sagte er im Landtag. "Niemand von uns darf sich zurücklehnen." Und immer wieder reiste er nach Israel - bis zu jener Reise, auf der er mit Merav tanzte.

Prominente andere Bewerberinnen

Die jüdischen Gemeinden in Brandenburg hatten ursprünglich andere Bewerber favorisiert. Im Rennen waren unter anderem Diana Sandler, die Antisemitismus-Beauftragte des Landesverbands der jüdischen Gemeinden, die Geschäftsführerin des Zacharias-Fraenkel-College an der Universität Potsdam, Sandra Anusiewicz-Baer und die Geschäftsführerin der Stiftung für Toleranz und Völkerverständigung, Susanne Krause-Hinrichs.

Doch als es nach den Beratungen im Hauptausschuss auf Büttner zulief, wurde deutlich, dass die jüdischen Gemeinden auch mit dem Linken aus Templin gut leben können. "Mit Andreas Büttner wird ein erfahrener Landespolitiker und Freund des jüdischen Lebens einen wichtigen Beitrag zur Antisemitismusbekämpfung in Brandenburg beitragen", sagte ein Sprecher des Zentralrats der Juden.

Und Landesrabbiner Ariel Kirzon gratulierte Büttner schon vor seiner Wahl auf Facebook: "Meine volle Unterstützung und Bereitschaft zur Zusammenarbeit sichere ich Ihnen zu." Zusammen könne man einen wichtigen Beitrag zu einer gerechteren und sichereren Gesellschaft leisten. Dazu postete er ein Foto, das Büttner bei einem Handschlag mit Diana Sandler zeigte. Denn auch sie hatte sich für Büttner ausgesprochen, falls sie nicht selbst gewählt werde.

Nach seiner Wahl am Mittwoch legte Büttner sein Landtagsmandat nieder. Für ihn wird der Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Carsten Preuß, für die verbliebenen drei Monate bis zur Wahl am 21. September ins Brandenburger Parlament nachrücken. Büttner aber soll am Donnerstag als erster Antisemitismusbeauftragter des Landes Brandenburg vereidigt werden.

Religion ist oft nicht Grund für Antisemitismus

Antisemitismus unter Musliminnen und Muslimen in Deutschland ist einer Untersuchung zufolge häufig eher eine Folge konservativ-autoritärer Einstellungen als der Religion an sich. Auch gebe es Hinweise, dass regionale beziehungsweise nationale Diskurse einen stärkeren Einfluss auf negative Einstellungen gegenüber Jüdinnen und Juden hätten als religiöse Zugehörigkeit. So zeigten zum Beispiel auch Menschen christlichen Glaubens entsprechende Ressentiments.

Antisemitismus: Juden in Deutschland sehen wachsende Bedrohung / © Arne Dedert (dpa)
Antisemitismus: Juden in Deutschland sehen wachsende Bedrohung / © Arne Dedert ( dpa )
Quelle:
KNA