Brandenburger Pfarrer unterstützt Schulinitiative gegen Hass

"Orte, die es ermöglichen, mutig zu sein"

Vor einem Jahr überfielen Terroristen Israel. Daraus folgte ein Krieg, der auch an deutschen Schulen tiefe Spuren hinterlässt. In Braunschweig hat sich dagegen die Initiative "Vorfahrt für Vielfalt Fokus Israel-Palästina" gebildet.

Autor/in:
Tobias Fricke
Zwei junge Muslimas mit Kopftuch und ein junger jüdischer Mann mit Kippa unterhalten sich miteinander / © Monika Skolimowska (dpa)
Zwei junge Muslimas mit Kopftuch und ein junger jüdischer Mann mit Kippa unterhalten sich miteinander / © Monika Skolimowska ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie kam Ihnen die Idee zu dieser Initiative? 

Die Initiatoren von "Vorfahrt für Vielfalt Fokus Israel-Palästina": Von links nach rechts: Oliver Lempa, Dimitri Tukuser, Atakan Koctürk, Klaus J. Burckhardt (privat)
Die Initiatoren von "Vorfahrt für Vielfalt Fokus Israel-Palästina": Von links nach rechts: Oliver Lempa, Dimitri Tukuser, Atakan Koctürk, Klaus J. Burckhardt / ( privat )

Klaus Burckhardt (Pfarrer und Oberkirchenrat i. R. der evangelischen Kirche Braunschweig): Die Idee kam nicht mir, sondern einem einem jungen Muslim, einem Schülersprecher, der die Interessen von 35.000 Schüler in Braunschweig vertreten hat. Der hat einer Zeitung ein Interview gegeben in dem er diesen Terroranschlag zutiefst verurteilt und ihn als unislamisch bezeichnet. Er hat dann die Schulen aufgerufen, Räume zur Verfügung zu stellen, um darüber ins Gespräch zu kommen. Dann habe ich ihn angerufen. Er war sofort bereit, mit mir zu sprechen. 

Und dann kam auch ein Kollege von der liberalen Jüdischen Gemeinde dazu und ein Ausbilder in der Referendarenausbildung. Oliver Lempa, Dimitri Tukuser, Atakan Koctürk und ich haben die Initiative dann gegründet. Wir haben dann gemeinsam der Braunschweiger Zeitung ein Interview gegeben und das ist viral gegangen. 50.000 Klicks und enorm viel Zuspruch. Das hat uns ermutigt, diese Initiative zu starten. 

DOMRADIO.DE: Wenn Sie in die Schulen gehen, wie reagieren dann die Schülerinnen und Schüler auf Ihr Angebot? 

Burckhardt: Uns ist es wichtig, gerade dort hinzugehen, wo die Verstörung am größten ist, wo die Emotionen sehr stark sind. Die Reaktionen sind erst mal große Dankbarkeit, sowohl von dem Lehrpersonal als auch von den Schülerinnen. Wir stellen ihnen eine Art "braver space" zur Verfügung. Das sind Orte, die es ermöglichen, mutig zu sein, in einer sicheren Atmosphäre.

DOMRADIO.DE: Kochen die Gefühle auch mal hoch?

Klaus Burckhardt

"Es kommt auch vor, dass Schüler ihre Erschütterung deutlich zum Ausdruck bringen, ihre Wut, ihre Trauer."

Burckhardt: Ja, natürlich. Es kommt auch vor, dass Schüler ihre Erschütterung deutlich zum Ausdruck bringen, ihre Wut, ihre Trauer. Aber grundsätzlich erleben wir eine sehr starke Entlastung dadurch, dass es diese "braver spaces" gibt. Nicht nur wir in Brandenburg machen gute Erfahrungen damit. Wir sind auch mit Leuten in Berlin und Frankfurt gut vernetzt und auch die machen gute Erfahrungen. 

DOMRADIO.DE: Es artet also nicht in körperliche Auseinandersetzungen aus, die geschlichtet werden müssen? 

Burckhardt: Bisher nicht. Wir waren in zehn Schulen in unterschiedlichen Orten und Regionen Braunschweigs und bisher ist das alles gut gegangen. Es hat zwar eine öffentliche Veranstaltung gegeben, die auch durch politische Kräfte gestört wurde, aber es hat nie eine körperliche Auseinandersetzung gegeben. 

DOMRADIO.DE: Jugendliche sind teilweise komplett anders im Internet unterwegs als ältere Leute. Sie beziehen ihr Wissen von TikTok und Facebook und Co. Wie viele Fake News sind bei dem Thema unterwegs?

Klaus Burckhardt

"Insgesamt gibt es über 2,4 Milliarden Beiträge in den Sozialen Medien, bloß von der pro-palästinensischen Seite."

Burckhardt: Viele. Wir fragen natürlich auch, wie viele Social Media konsumieren. Das sind 80 bis 90 Prozent. Es sind Instagram und TikTok, die am meisten abgerufen werden. Die ältere Generation ist bei Facebook. Insgesamt gibt es über 2,4 Milliarden Beiträge in den Sozialen Medien, bloß von der pro-palästinensischen Seite. Über 200 Millionen von der pro-israelischen Seite und da sind enorm viele Fake News dabei. Deswegen haben wir eine Einheit, die sich genau mit diesem Thema Fake News und Hate Speech auseinandersetzt. 

DOMRADIO.DE: Wann ist für Sie eine Veranstaltung positiv gelaufen? 

Burckhardt: Wenn alle Jugendliche ehrlich sind, wenn sie sich anschließend bedanken und sagen, dass es eine faire Veranstaltung war, in der beide Narrative nebeneinander stehen konnten und dann noch die Spannung ausgehalten wurde. Wenn ein junges Mädchen zum Ersten mal sagt, dass sie Jüdin ist, oder ein junger Palästinenser sagt: "Vielen Dank, dass Ihr gekommen seid." Dann ist das für uns eine hervorragende Rückmeldung. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR