"So wie jetzt kann es nicht weiter gehen." Mit diesen Worten eröffnete der Theologe Martin Dürnberger am letzten Montag im Juli die Salzburger Hochschulwochen.
Eine Woche lang diskutierten sodann Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen, welche Zukunft angesichts großer Krisen dieser Zeit ansteht - und wie es vielleicht doch noch gelingen kann, das Ruder herumzureißen.
Keine gute gesellschaftliche Theorie des Weniger
Die Prognosen sind düster: Die Klimakrise - in der Woche der akademischen Festspiele standen Teile Österreichs und Sloweniens unter Wasser - hat längst begonnen, Kriege, soziale Nöte und Spaltungen stellen den bisherigen Lebensstil infrage. "Reduktion!
Warum wir mehr Weniger brauchen" leitete sodann auch als Motto die diesjährige altehrwürdige Sommeruniversität. Doch wie passt das Bild einer Gesellschaft, die auf Wachstum und Fortschritt angelegt ist, zusammen mit dem vom Kleinerwerden, vom Verringern und Verzicht?

"Wir haben keine gute gesellschaftliche Theorie des Weniger", stellt die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, fest. Schon der Blick in einschlägige philosophische und ethische Fachlexika bringe beim Stichwort "Reduktion" keinen Mehrgewinn. Doch es brauche die guten Geschichten, wie ein Weniger gelingen kann: um Spaltungen zu vermeiden, um Gesellschaften zu mobilisieren.
Die riesigen Transformationen, die anstehen, werden ohne breite Zustimmung der Gesellschaft kaum möglich sein - Sätze wie diese standen auf der Tagesordnung. Patentrezepte für ein Gelingen? Daran wagte sich niemand. Könnten die Kirchen hier eine treibende Kraft werden? Eine Institution sein, Visionen einer Zukunft mit zu gestalten, in der ein Weniger seine Bedrohlichkeit verliert und zugleich ein Mehr etwa an Lebensqualität bedeutet?
Angesichts von Missbrauchsskandalen, rapidem Mitgliederschwund, innerkirchlichen Reformstreitigkeiten und einer enormen Glaubwürdigkeitskrise scheint der Einfluss insbesondere katholischer Glaubensvertreter auf gesellschaftliche Umstrukturierungen nicht gerade im Zenit zu stehen. Dennoch könnte nach Meinung der Sommeruniversitäts-Experten in den Kirchen, die über Jahrhunderte große Menschheitsgeschichten überliefert haben, Potenzial für die geforderte gute Erzählung liegen.
Klimaschutz oben auf der kirchlichen Agenda
"Gerade die Kirchen können hier aus dem Vollen schöpfen", sagt etwa Medizinethikerin Buyx. Und Öko-Unternehmer Dirk Gratzel erklärt gar, dass insbesondere die Kirchen die Kompetenz hätten, Millionen Menschen abstrakte Bilder zu vermitteln - und zwar immer dann, wenn es um wenig anschauliche Glaubensinhalte wie etwa die Erlösung geht.
Wird als nächstes die klimafreundliche Zukunft eine der großen christlichen Erzählungen werden?

Der Blick zurück könnte das Gegenteil nahelegen: Immer wieder steht der Vorwurf im Raum, das Christentum habe die Ausbeutung der Welt legitimiert. Vor allem der biblische Auftrag, der Mensch solle sich die Erde untertan machen, habe dazu beigetragen.
Doch mit der Enzyklika "Laudato si" von 2015 hat Papst Franziskus den Umwelt- und Klimaschutz ganz nach oben auf die kirchliche Agenda gesetzt. Die Caritas hat ihre diesjährige Kampagne unter das Zeichen eines Klimaschutzes gestellt, der vor allem auch sozial gerecht sein soll. Und ökotheologische Diskurse an wissenschaftlichen Einrichtungen haben längst an Fahrt aufgenommen.
So sagt denn auch die Theologin Franca Spies, in Salzburg mit einem Seminar vertreten, dass die Idee eines guten Lebens aus christlicher Perspektive nicht auf den Menschen verkürzt werden dürfe. Das Ziel der Schöpfung sei erst dann erfüllt, wenn es der ganzen Welt gut gehe, sagte Spies den "Salzburger Nachrichten".
"Das Christentum hat genügend Potenzial, sich als zutiefst ökologische Religion zu verstehen", führt Spies weiter aus. Zudem hätten Religionen eine hohe Bindungskraft und können zu einem ethisch verantworteten politischen Handeln motivieren.
Zurück zum Anfang: Die Diagnose einer akuten gesellschaftlichen Krisen-Schockstarre ist schnell gestellt. Gibt es so etwas wie einen genuinen christlichen Beitrag für die Vision einer guten Zukunft? Der Theologe Aaron Langenfeld formuliert es so: Vielleicht könnten Christinnen und Christen ja die Hoffnung erhalten, dass gut werden kann, was noch nicht gut ist.