DOMRADIO.DE: Was darf denn auf einer vatikanischen Briefmarke drauf sein? Nur der Papst oder auch andere Motive?
Ulrich Nersinger (Vatikanjournalist und Buchautor): Nein, das ist ein breites Spektrum. Da darf fast alles drauf sein. Es werden die unterschiedlichsten Themen aufgegriffen und da sind auch die Sammler überrascht, was dem Vatikan einfällt, als Briefmarke herauszugeben.
DOMRADIO.DE: Wer entscheidet das? Meistens ist da ein Kunstwerk zu sehen. Sind das ausgewählte Künstler?
Nersinger: Die Entscheidung trifft das sogenannte Governatorat, also die weltliche Verwaltung des Vatikans. Dort gibt es eine eigene Poststelle, die entscheidet das und nimmt manchmal ganz berühmte Künstler, die das gestalten, aber auch Unbekannte, die durch eine Besonderheit oder etwas ganz Spezielles aufgefallen sind.
DOMRADIO.DE: Wie sieht denn die Geschichte der vatikanischen Briefmarken aus? Die ist ja nicht ganz jung und dauert schon ein bisschen an.
Nersinger: Wir müssen eigentlich von zwei Etappen sprechen. Im alten Kirchenstaat von 1852 bis 1870 gab es Briefmarken, die waren recht einfach gestaltet. Und dann haben wir die Zeit, in der es keinen Kirchenstaat gab.
Als 1929 der Kirchenstaat neu als Vatikanstadt entstand, da gab es wieder Briefmarken, und die waren von Anfang an unheimlich begehrt. Als die ersten ausgegeben wurden, bildeten sich riesige Schlangen und jeder wollte etwas in die Welt verschicken mit Vatikan-Marken. Da mussten die vatikanischen Briefkästen fast halbstündlich geleert werden.
DOMRADIO.DE: Wurden denn Briefmarken aus dem Vatikan zu einem Spekulationsobjekt?
Nersinger: Ja, das waren sie in den 60er-Jahren. Ich wurde auch ein Opfer davon. Ich habe fleißig Vatikan-Marken gesammelt und war ganz stolz auf meine Sammlung. Dann stellte sich aber heraus, dass die Händler diese Marken gezielt aufgekauft hatten und der Vatikanstaat die Auflage dann immer wieder in einem solchen Maße erhöhte, dass man nicht mehr wusste, wie hoch die Auflage gewesen ist.
Daraufhin stürzte der Sammlerwert natürlich ins Bodenlose. Ich war damals auch so enttäuscht vom Vatikan und von den Händlern, dass ich meine gesamte Sammlung der Mission gegeben habe, damit noch etwas damit gemacht werden konnte.
DOMRADIO.DE: Im Jahr 2017 zu 500 Jahren Reformation gab es tatsächlich auch eine Briefmarke im Vatikan, die Martin Luther zeigte.
Nersinger: Ja, das war eine große Sensation. Selbst für Leute, die der Ökumene sehr aufgeschlossen entgegenstehen, war das eine riesige Überraschung. Der Vatikan würdigte das 500 Jahre Jubiläum der Reformation durch eine Marke, auf der zu Füßen des Kreuzes Jesu Luther zu sehen war.
Das ist aber nicht die einzige besondere Marke, die in den letzten Jahren Aufsehen erregt hat. Ich kann mich entsinnen, dass es 2015 im Rahmen der Europa-Marken eine Serie mit Spielzeugen gab. Als Motiv hat man dann Schweizergardisten und päpstliche Gendarmen gewählt, die als Spielzeugfiguren dargestellt wurden.
Das war natürlich eine Sache, über die man im Vatikan sehr geschmunzelt hat. Aber ich weiß auch, dass der eine oder andere Schweizergardist da nicht so ganz glücklich über diese Darstellung war.
DOMRADIO.DE: Im Rahmen des letzten Weltjugendtages in Portugal gab es eine Darstellung des Papstes, die auch nicht so ganz geglückt war. Die Marke wurde schließlich nicht veröffentlicht. Worum ging es da?
Nersinger: Ja, man hat ein Denkmal genommen, das die Eroberungspolitik Portugals verherrlichte – und das passte da natürlich nicht so ganz hinein. Sie erinnerte sehr an den Kolonialismus, denn diese Marke war so gestaltet, dass hinter einer Führungsgestalt die Leute hinterherzogen.
Jemand im Vatikan sagte auch, das sehe ja aus wie eine Marke aus der Volksrepublik China, wenn Mao gefolgt wird. Diese Marke hat also für viel Aufregung gesorgt und man hat sie dann zurückgezogen.
DOMRADIO.DE: Gab es auch unter den Päpsten einen, der Briefmarken gesammelt hat?
Nersinger: Da wissen wir eigentlich recht wenig. Die Päpste kommen natürlich als Benutzer von Briefmarken kaum in Frage. Wenn sie Briefe verschickten, haben die Päpste nicht selbst die Marken aufgeklebt. Deswegen dürfte da wenig Kontakt gewesen sein.
Wir wissen auch nicht, ob sich der eine oder andere Papst wirklich für die Motive interessiert hat. Für die Herausgabe interessierte sich nach 1929 Pius XI. Er hat schon Wert darauf gelegt, dass man vernünftige und gute Marken von hoher Qualität herausbrachte.
DOMRADIO.DE: Jetzt steht bald Weihnachten an, wird es eine Sonderedition des Vatikan geben? Wissen Sie darüber schon was?
Nersinger: Es wird eine Sonderedition geben. Wir wissen aber noch nicht genau, was drauf ist. Vermutlich, weil in diesem Jahr die Krippe auf dem Petersplatz so gestaltet werden soll, dass sie sehr stark an die erste Krippe des heiligen Franz von Assisi erinnert. Wir werden uns von dem Motiv überraschen lassen müssen.
Dafür ist es eigentlich schon etwas spät, aber es wird wie jedes Jahr eine Weihnachtsmarke erscheinen. Die ist im Vatikan selbst erhältlich, man kann sie auch im Abonnement beziehen oder man kann sie in der ganzen Welt dann beim Briefmarkenhandel bestellen.
DOMRADIO.DE: Wie ist es mit dem Erlös der Briefmarken? Geht der in die Kasse des Papstes oder ist der für einen guten Zweck?
Nersinger: Der Erlös geht auch in die Finanzierung des Vatikanstaates und in die Finanzierung der ganzen Werke des Papstes. Das reicht von karitativen Zwecken bis hin zu Verwaltungszwecken. Aber es ist immer eine große Einnahmequelle gewesen, wie auch die Münzen für die Erhaltung des Vatikans und der kulturellen Güter des Heiligen Stuhls.
Das Interview führte Bernd Hamer.