"Brot für die Welt" zum Weltwirtschaftsforum

"Die Stichwortgeber vertreten die Wirtschaft"

Es gibt Probleme an allen Fronten, beim Blick auf die wichtigsten Debatten des Weltwirtschaftsforums in Davos. Doch diejenigen, die sie betreffen, sind nicht vor Ort. Was bringt ein Forum, in dem vor allem gesellschaftliche Akteure mitreden sollen?

In Davos hat das Weltwirtschaftsforum begonnen / © Gian Ehrenzeller (dpa)
In Davos hat das Weltwirtschaftsforum begonnen / © Gian Ehrenzeller ( dpa )

DOMRADIO.DE: Viele große Namen werden beim Weltwirtschaftsforum fehlen. Kann man da wirklich noch von einem Spitzentreffen aus Politik und Wirtschaft sprechen?

Francisco Mari (Referent für Welternährung, Agrarhandel und Meerespolitik bei Brot für die Welt): Ja, wenn man sich anschaut, dass immerhin fast 60 Staatschefs kommen und jede Menge Konzernchefs und Wirtschaftsvertreter, ist es bei der alten Struktur geblieben: Politik trifft Konzerne, beide beraten über die Zukunft der Welt.

DOMRADIO.DE: Hat denn dort wirklich jeder eine Stimme, den die Globalisierung auch betrifft?

Mari: Nein, eben nicht. Das war ja von Anfang an auch immer der Kritikpunkt der Zivilgesellschaften, auch der weltweiten Globalisierungskritiker. Die Wirtschaftsvertreter sind die Stichwortgeber für Politik. Und die Politik war zumindest in den früheren Jahren immer bereit, das leider sogar auch in Gesetze in ihren eigenen Ländern oder auf internationalem Parkett umzusetzen.

DOMRADIO.DE: Auf der einen Seite stehen die Industrieländer, in denen viele Menschen Angst um ihre Jobs haben – gerade in Branchen, die im Ausland günstiger produzieren können. Auf der anderen Seite stehen Entwicklungsländer, die sich von der Digitalisierung abgehängt fühlen. Kann so ein Weltwirtschaftsforum helfen, diesen Spagat zu überbrücken?

Mari: Nein, schon deswegen nicht, weil ja die fehlen, die davon betroffen sind. Gewerkschaften, die Zivilgesellschaft, aber auch Vertreter aus den Ländern des Südens – all' die, die schon bei der Finanzderegulierung der Nullerjahre gefehlt haben, als die Welt bis 2008 in die Finanzkrise schlitterte, fehlen jetzt erst recht.

DOMRADIO.DE: Welche Alternativen gibt es?

Mari: Nun, es gibt Gott sei Dank alternative Diskussionsforen für die Krisen der Welt. Eines davon fand 2015 in New York statt.

Die Vereinten Nationen versuchen auch eher die Zivilgesellschaft einzubeziehen, zum Beispiel wenn es um Nachhaltigkeit geht. Das sind soziale Fragen sowie Fragen, die Umwelt und Arbeitsbedingungen betreffen. Aber auch existenzielle Fragen zu Gesundheit und Ernährung. Darin werden die Zivilgesellschaft und die Betroffenen einbezogen. Und am Ende entscheiden die Staaten federführend, nicht die Wirtschaftskapitäne.

DOMRADIO.DE: Kommen wir auf ein Thema zu sprechen, was mit Sicherheit ein heikles Thema beim Weltwirtschaftsforum sein wird: der Brexit. Ein harter Brexit – was würde der vor allem für afrikanische Länder bedeuten, die ja im Moment einen starken Handel mit Großbritannien betreiben?

Mari: Das ist ein typisches Beispiel dafür, wenn über oder gegen Betroffene entschieden wird – so wie es das Forum in Davos selbst ist, wo die Betroffenen nicht dabei sind.

Vor allem die Länder, die sehr enge Beziehungen zu Großbritannien haben, werden Wirtschaftsbeziehungen aus ihrer Kolonialvergangenheit erst einmal verlieren, weil die Zölle Großbritanniens dann WTO-Zölle werden. Das heißt, die Zölle werden sehr hoch ohne die Präferenzen, die die Europäische Union und damit auch Großbritannien den armen Ländern gewährt.

Aber auch Länder mit mittlerem Einkommen, wie Ghana und Kenia, wären zunächst davon betroffen, weil sie bestimmte Präferenzen aus dem Abkommen nicht mehr haben. Produkte wie Schnittblumen, Gemüse und Obst werden zunächst das europäische Festland erreichen. Sie werden über den harten Brexit natürlich teurer werden und damit auf den Märkten Großbritanniens verändert. Das heißt, für die nicht am Tisch sitzenden, vor allem die afrikanischen Länder, wird ein harter Brexit auch wirklich ein harter Einschnitt in ihren Wirtschaftsbeziehungen zu Europa sein.

DOMRADIO.DE: Brot für die Welt ist selbst mit Projekten in einigen dieser Länder tätig. Inwiefern bereiten sie sich auf so einen Fall vor?

Mari: Brot für die Welt ist nicht in die Förderung der Wertschöpfungsketten eingebunden, allerdings bei der Förderung des fairen Handels, konkret bei den fairen Blumen. In Deutschland machen faire Rosen zum Beispiel schon 40 Prozent des Markts aus.

Da kann es natürlich zu Verwerfungen kommen und wir müssen mit unseren Partnern darauf drängen, selbst Abkommen anzubieten. Falls Großbritannien den Wirtschaftsraum der EU mit einem harten Brexit verlässt, müssen sie zumindest dieselben günstigen Bedingungen für arme Länder auf ihren Märkten ermöglicht bekommen.

Das Gespräch führte Beatrice Steineke.


Quelle:
DR