Initiative für Lieferkettengesetz hat genug von Freiwilligkeit

Bündnis will Unternehmen auf Menschenrechte verpflichten

Brände in Textilfabriken, Katastrophen bei der Rohstoffgewinnung, Kinderarbeit: Die Liste der weltweiten Verfehlungen auch von deutschen Unternehmen ist lang. Die Zivilgesellschaft drängt die Politik zum Handeln.

Autor/in:
Alexander Riedel
Kleidung in einem Geschäft / © Forewer (shutterstock)

"Es reicht!", hieß es bei der Vorstellung der neuen Initiative Lieferkettengesetz am Dienstag in Berlin. 64 darin zusammengeschlossene zivilgesellschaftliche Organisationen finden: Alle in Deutschland tätigen Unternehmen müssen endlich darauf achten, dass in ihren globalen Lieferketten die Menschenrechte eingehalten werden. Und weil das nicht alle von alleine tun, solle die Bundesregierung sie eben dazu verpflichten.

Freiwilligkeit nicht ausreichend

"Immer wieder gibt es Berichte von brennenden Fabriken, ausbeuterischer Kinderarbeit oder zerstörten Regenwäldern", sagte die Sprecherin der Initiative, Johanna Kusch. "Das zeigt: Freiwillig kommen deutsche Unternehmen ihrer Verantwortung nicht ausreichend nach." Sie betonte zugleich: Wer verantwortlich wirtschafte, habe durch ein sogenanntes Lieferkettengesetz nichts zu befürchten. Gegen "Gewinne ohne Gewissen" helfe aber nur noch ein gesetzlicher Rahmen.

Die Bundesregierung prüft derweil noch: Sie befragt derzeit rund 1.800 deutsche Unternehmen zur Wahrung der Menschenrechte. Bis Anfang Oktober sollen die Antworten eingehen. Die Teilnahme ist freiwillig.

Im Frühjahr 2020 wird das ganze noch einmal wiederholt. Geplant ist ein Zwischenbericht in diesem Herbst und ein Endbericht im Sommer kommenden Jahres.

Im sogenannten Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte hat die Regierung als Ziel bereits festgelegt, dass im Jahr 2020 mindestens die Hälfte aller deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten nachweislich die Menschenrechte achten sollen. Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD sonst gesetzliche Pflichten schaffen.

Kritik von Misereor

Die Initiative Lieferkettengesetz - die Gewerkschaften, Umwelt-, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen, Vertreter des fairen Handels sowie kirchliche Organisationen vereint - blickt skeptisch auf den Ansatz der Regierung. Der Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel, kritisierte die Freiwilligkeit und eine oberflächliche Methodik der Befragung. Er befürchtet, dass es am Ende zu einem schöngefärbten Ergebnis kommen könnte.

Auch sei es problematisch, dass ein Gesetz nur kommen solle, wenn weniger als die Hälfte der Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nachkämen, erläuterte Spiegel weiter. "Die Achtung der Menschenrechte, die Achtung der Mitwelt muss Bedingung für alle Unternehmen sein." Es reiche nicht, wenn nur 50 oder 80 Prozent der Firmen ihre Verantwortung wahrnähmen.

Anlass der Vorstellung der Initiative am Dienstag war der siebte Jahrestag der verheerenden Brandkatastrophe in der Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan. Am Montag hatte bereits Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) das staatliche Textilsiegel "Grüner Knopf" vorgestellt. Es soll - auf freiwilliger Basis - Textilien kennzeichnen, deren Hersteller soziale und ökologische Standards einhalten.

Während der Minister selbst noch daran zweifelt, dass freiwillige Ansätze ausreichend Unternehmen dazu bringen, die Menschenrechte zu achten, drängt die Initiative Lieferkettengesetz auf baldige Ergebnisse. In einer Petition fordern die Organisationen die Regierung dazu auf, bis 2020 ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen.

Blick nach Frankreich

Damit sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, mögliche Risiken für Menschenrechtsverstöße in ihrem Geschäftsbereich zu untersuchen und Verletzungen zu vermeiden beziehungsweise zu beenden. Bei Schäden an Menschen und Umwelt könnten Unternehmen haftbar gemacht werden.

Betroffene sollen sich beschweren und ihre Rechte einklagen können.

Arbeitgeberverbände lehnen eine gesetzliche Pflicht mit entsprechenden Folgen ab. Sie argumentieren etwa, dass Unternehmer gar nicht alle Zulieferer überblicken oder beeinflussen könnten. Dafür sollten sie daher auch nicht haftbar gemacht werden.

Die Initiative verweist darauf, dass in Europa in manchen Ländern schon Pflichten existierten. Frankreich habe die Regelung, die am weitesten gehe, erklärte Sprecherin Kusch. Dort müssten Unternehmen einen Plan zu ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt erstellen, seien aber auch zivilrechtlich haftbar. "Das ist das, was wir wollen", sagte Kusch mit Blick auf Deutschland.


Quelle:
KNA
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