Die Bundesregierung blickt mit Sorge darauf, dass weltweit das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit immer mehr eingeschränkt werde. "Viele religiöse Gruppen sind marginalisiert – zu wenig sichtbar, politisch unterrepräsentiert, sozial desintegriert", heißt es im dritten "Bericht zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit", die der Beauftragte der Bundesregierung zu diesen Themen, Frank Schwabe (SPD), am Mittwoch in Berlin vorstellte. Das katholische Hilfswerk missio begrüßte den Bericht. Die Ampel-Regierung müsse sich an der eigenen Analyse nun auch messen lassen, verlangte die Opposition.
Freiheit zentrales Anliegen
Er verstehe sich nicht als "Religionsbeauftragter" der Bundesregierung, betonte Schwabe. Vielmehr sei ihm die Freiheit, Religion und verschiedene Weltanschauungen auszuüben oder nicht, ein zentrales Anliegen. Dieses Freiheits- und Menschenrecht dürfe nicht eingeschränkt werden. Der Bericht blickt dabei auf die Situation in 41 Ländern, darunter Afghanistan, Saudi-Arabien, Russland und China.
Die Verbrechen an den Jesiden im Irak, an den Uiguren in China und den Rohingya in Myanmar führten vor Augen, "wie Menschen und Gruppen auch wegen ihres Glaubens und ihrer Weltanschauung in ihren Menschenrechten verletzt werden", heißt es in Schwabes Bericht. Systematische Verfolgung, Angriffe, Vertreibungen, massenhafte Vergewaltigungen, Versklavungen, Internierungen und Morde beträfen auch Schiiten in Afghanistan, Christen in Pakistan, Bahai im Iran und in Teilen des Jemen sowie auch Konvertiten und Atheisten in mehrheitlich muslimischen Ländern.
Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte
Besonders im Blick und von Diskriminierung betroffen seien indigene Völker mit ihrer eigenen Spiritualität, heißt es. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), unterstrich in einem Vorwort, es brauche eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte. Der Prozess der Dekolonialisierung reiche weit über Fragen der Weltanschauungs- und Religionsfreiheit hinaus, sei vielschichtig und komplex und "noch lange nicht abgeschlossen". Dabei sei die Missionstätigkeit unter indigenen Gruppen einer der Aspekte, "aus denen eine Verantwortung erwächst".
Indigene schützen
Auch Missionstätigkeit sei Teil der Religionsfreiheit, jedoch "nicht ohne Wenn und Aber", betonte der Erlanger Menschenrechtswissenschaftler Heiner Bielefeldt. Der Umgang mit den Rechten indigener Völker, die sich beispielsweise auch in der Achtung ihrer Landrechte oder der Rückerstattung von Raubkunst zeigten, seien ein Testfall für die Glaubwürdigkeit der Menschenrechtspolitik.
Der in der Bischofskonferenz für Fragen der Weltkirche zuständige Augsburger Bischof Bertram Meier schrieb auf der Onlineplattform X: "Die Religionsfreiheit ist das Herz der Menschenrechte. Wir brauchen eine Koalition aller Willigen, die sich über die Tagespolitik und über ökonomische, politische Krisen hinaus für die Religionsfreiheit aller einsetzen."
Freiheit bringt Frieden
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte, wo es Religions- und Weltanschauungsfreiheit gebe, lebten Gesellschaften friedlicher zusammen. Religionen könnten auch viel zu nachhaltiger Entwicklung beitragen. Das Ziel, Hunger und Armut weltweit zubekämpfen und zu besiegen, könne aufgrund von deren Einfluss auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen ohne Akteure aus den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht erreicht werden, heißt es in dem Bericht der Bundesregierung.
Der religionspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Thomas Rachel (CDU), sagte, Christinnen und Christen seien als Angehörige der zahlenmäßig größten Glaubensgemeinschaft weltweit von der Verletzung der Religionsfreiheit besonders betroffen.
Humanitäres Visum
Ähnlich äußerte sich das katholische Hilfswerk missio. Dessen Präsident Dirk Bingener begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung, künftig die Rolle der Religionen im globalen Süden noch stärker in der Außen- und Entwicklungspolitik zu berücksichtigen. Im Interview von katholisch.de sagte Bingener: "Wenn Menschen wegen ihrer Religion verfolgt werden und nicht mehr in ihrem Land leben können, muss es beispielsweise die Möglichkeit geben, dass sie humanitäre Visa erhalten."
Der religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, unterstrich: "Nur mit Religion und nicht gegen sie, können wir bei uns in Deutschland oder weltweit Politik nachhaltig zum Wohle aller gestalten."