Das Oberhaupt der katholischen Kirche und Steinmeier begrüßten sich auf Deutsch. Der Protestant Steinmeier hatte am Tag zuvor in der evangelischen Christuskirche in Rom gesprochen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei dem Besuch bei Papst Franziskus auf weitere Schritte zu mehr Gemeinsamkeiten von evangelischer und katholischer Kirche gedrungen. Er habe seine persönliche Auffassung bekundet, "dass das Potenzial für Ökumene nicht ausgeschöpft ist", sagte Steinmeier nach einer Privataudienz beim Oberhaupt der katholischen Kirche am Montag in Rom.
Langer Austausch
Er hoffe, dass mit Hilfe des Papstes weitere Schritte gegangen werden, sagte Steinmeier. Nach seinem Eindruck sei Franziskus bei dem Thema aufgeschlossen, ergänzte das Staatsoberhaupt, das selbst der evangelischen Kirche angehört.
Eine Stunde und damit ungewöhnlich lang tauschten sich Steinmeier und Franziskus über die Themen Migration und Flucht sowie die Folgen des Klimawandels aus. Auch das Ergebnis der Bundestagswahl mit dem guten Abschneiden der AfD kam nach Angaben des Bundespräsidenten zur Sprache. Der Papst sei darüber gut informiert gewesen, habe seinen Respekt für die Flüchtlingsaufnahme in Deutschland bekundet und die Hoffnung geäußert, "dass Deutschland sich nicht abwendet von einem Problem, das uns begleiten wird", berichtete Steinmeier.
"Sehr beeindruckt"
Steinmeier äußerte sich "sehr beeindruckt" von der Person des Papstes und von seiner "offenen Art, Gespräche zu führen". Nach Deutschland habe er den Papst "diesmal nicht" eingeladen. Über die Situation in Deutschland nach der Wahl sei Franziskus "sehr gut informiert" gewesen. Franziskus habe das Agieren Deutschlands in der Flüchtlingskrise gelobt und seine Hoffnung ausgedrückt, dass es auch in Europa eine breitere Solidarität geben könne. Die Lage in Afrika sei Franziskus ein besonderes Anliegen; es müsse mehr für die Entwicklung getan werden, gab Steinmeier die Meinung des Papstes wieder.
Themen der Unterredung waren nach den Worten des Bundespräsidenten auch das Pariser Klimaschutzabkommen und die Bemühungen des Papstes, die USA und deren Präsident Donald Trump von der Bedeutung dieses Vertrags zu überzeugen.
Daneben ging es laut Steinmeier um die Rolle der Kirchen und Religionen in internationalen Konflikten. Diese müssten mobilisiert werden, um Auseinandersetzungen zu entschärfen. So sei beispielsweise Libyen "noch weit weg von einer Lösung, die dem Land wieder frieden und Ruhe bringt", sagte Steinmeier.
Kupferstich und Schreiben
Es war Steinmeiers erste persönliche Begegnung mit einem Papst im Vatikan. Begleitet wurde er von seiner Frau Elke Büdenbender.
Steinmeier übergab dem Papst ein antiquarisches Buch des Jesuiten Jan David mit Kupferstichen unter dem Titel "Zwölf Spiegel zusammengefügt für den, der Gott schauen möchte". Der Papst schenkte dem deutschen Staatsoberhaupt drei seiner Schriften, darunter die Umwelt-Enzyklika "Laudato si" und das Schreiben "Amoris laetitia" zur Familie, sowie eine Medaille einer Aktion zum Thema Migration.
Vorgänger Joachim Gauck 2012 beim Papst
Es ist das erste Mal, dass Steinmeier mit einem Oberhaupt der katholischen Kirche zusammentrifft. Auch als Außenminister war er nie im Vatikan. Zuletzt war sein Vorgänger Joachim Gauck 2012 zu einer Privataudienz beim damaligen Papst Benedikt.
Am Sonntagabend hielt Steinmeier, der von seiner Frau Elke Büdenbender begleitet wird, in der evangelischen Christuskirche eine Rede zum 500. Jahrestag der Reformation. Dabei rief er angesichts der Krisen in Europa dazu auf, die Gefühle der Bürger ernst zu nehmen.
"Morgenröte der Moderne"
"Von Großbritannien über Katalonien bis nach Polen und Griechenland" werde deutlich, wie sehr es auf die Gefühle der Menschen ankomme. Dies sei aber im Prozess der europäischen Integration unterschätzt worden, betonte er. "So ein Projekt kann auf Dauer nur gelingen, wenn auch Herzen und Seelen dabei sind."
In seiner Rede zog Steinmeier, selbst Protestant, eine zwiespältige Bilanz der Reformation. Zwar könne man die Ereignisse von 1517 und ihre Folgen als "Morgenröte der Moderne" begrüßen, zugleich hätten dort aber auch Fundamentalismus und Illiberalität ihre Wurzeln. Erst nach Jahrhunderten seien die Spaltungen in Europa von einem Prozess der Versöhnung abgelöst worden.
"Versöhnte Verschiedenheit" die beste Grundlage
"Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass das für unmöglich gehaltene möglich sein kann: Versöhnung und Friede." Wie in der Ökumene sei auch in der europäischen Integration "versöhnte Verschiedenheit" die beste Grundlage für weitere Fortschritte.
Nach der Audienz beim Papst besucht der Bundespräsident die katholische Hilfsorganisation Sant'Egidio. Die Organisation setzt sich unter anderem für Migranten und Obdachlose ein und gilt als Musterbeispiel für gelungenes soziales Engagement. Sie hat weltweit Ableger, darunter auch in Deutschland.