Rund ein Jahr hatten Union und SPD gerungen: Die SPD wollte den Passus für das Werbeverbot für Abtreibungen eigentlich ganz streichen, die Union wollte ursprünglich nichts ändern. Am Ende einigten sich die Regierungsfraktionen auf einen Kompromiss: Schwangere Frauen sollen leichter einen Zugang zu Informationen über Ärzte erhalten, die Abtreibungen durchführen. Zudem soll die Rechtssicherheit für Ärzte gestärkt werden.
Paragraf 219a untersagt das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in grob anstößiger Weise geschieht. Damit soll auch sichergestellt werden, dass Abtreibung nicht als normale Dienstleistung angesehen wird.
Fall um Ärztin Kristina Hänel
Auslöser für die Debatte über den Paragrafen war ein Gerichtsurteil: Das Amtsgericht Gießen verurteilte Ende 2017 die Ärztin Kristina Hänel wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe. Abtreibungsgegner hatten auf ihrer Homepage entdeckt, dass sie Abbrüche anbietet, und Hänel angezeigt. Auch gegen andere Ärzte laufen Verfahren.
Im vergangenen Jahr hatte der Streit über den Paragrafen zur ersten Koalitionskrise geführt. Auf Drängen des damaligen Unions-Fraktionschefs Volker Kauder (CDU) hatte die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles einen Entwurf ihrer Fraktion zurückgezogen, der die Abschaffung des Paragrafen vorsah. Es folgten monatelange Diskussionen darüber, wie ein Kompromiss aussehen könnte.
Hochemotionalen Bundestagsdebatte
An der Suche waren fünf Minister beteiligt: Neben Justizministerin Katarina Barley und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) waren es Innenminister Horst Seehofer (CSU), Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU).
In der hochemotionalen Bundestagsdebatte vor der Abstimmung warfen Vertreter der Grünen, der FDP und der Linken der SPD am Donnerstagabend vor, eingeknickt zu sein. Linken-Fraktionsvize Cornelia Möhring erklärte mit Blick auf die Abgeordneten der
SPD-Fraktion: "Sie haben es versemmelt! Hören Sie endlich auf, den Kompromiss schönzureden." Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul, betonte, das Gesetz bringe auch keinerlei Rechtssicherheit für Ärzte. Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Bauer, nannte den Entwurf "zutiefst beschämend - sowohl aus juristischer als auch aus frauenpolitischer Sicht". Das Thema sei machtpolitisch missbraucht worden.
"Verfassungsrechtlich fragwürdig"
Die AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch kritisierte dagegen, dass das Gesetz überhaupt geändert werde. Sie hielt den Abgeordneten der Union vor, dass diese "das Christliche jetzt wohl endgültig streichen" könne. Nach der Legalisierung der "Ehe für alle" betreibe sie eine "Kapitulation auf Raten". Von Storch bezeichnete den Gesetzentwurf als "weiteren Schritt auf dem Weg zur Abschaffung des Paragrafen 218". Mit Blick auf die Kirchen meinte sie, deren "Schweigen ist ohrenbetäubend". Ob damit die Debatte beendet ist, scheint fraglich. Die FDP bezeichnet den Kompromiss als "verfassungsrechtlich fragwürdig".
Sollte es keine Änderungen geben, behalte sich die Fraktion einen Normenkontrollantrag an das Bundesverfassungsgericht vor, kündigte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae an. Und auch die Ärztin Hänel erklärte bereits, sie werde notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen, um eine Abschaffung des Paragrafen 219a zu erreichen.