Cäcilienverband-Präsident hofft auf neue Inspiration an Weihnachten

"Wünsche mir mehr neue deutsche Weihnachtsmusik"

In England ist es üblich, dass zum Weihnachtsfest Jahr für Jahr auch neue Texte und Melodien entstehen. Das würde sich auch der Kölner Domkapitular Markus Bosbach als Präsident des Dachverbands der Kirchenmusik in Deutschland wünschen.

Autor/in:
Matthias Friebe
Chor singt Weihnachtsmusik / © Nicolas Ottersbach (DR)
Chor singt Weihnachtsmusik / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Vor allem durch die jährlichen Auftragskompositionen am King’s College in Cambridge vergrößert sich der Schatz und die Vielfalt der englischen Weihnachtsmusik immer weiter. Gepflegt in den anglikanischen Gottesdiensten der „Nine Lessons and Carols“ gehört es gerade Weihnachten zur Tradition intensiv zu singen.

Chor beim Festival of nine lessons and carols aus der Kapelle des King's College in Cambridge / © Leon Hargreaves/Choir of King’s college Cambridge (privat)
Chor beim Festival of nine lessons and carols aus der Kapelle des King's College in Cambridge / © Leon Hargreaves/Choir of King’s college Cambridge ( privat )

Besonders der weltweit übertragene Heiligabend-Gottesdienst aus der Kapelle des King’s College in Cambridge trägt zu diesem Erbe bei, dass sich Markus Bosbach, der Präsident des Allgemeinen Cäcilienverbands in Deutschland auch hierzulande wünscht. Im Interview spricht er über den besonderen Reiz des "Nine Lessons and Carols"-Gottesdienst und über die Aufgabe und Bedeutung der Musik.

Fast 20 englische Carols und Hymnen werden dazu im Gottesdienst gesungen und laden auch zu Hause zum Mitfeiern ein. Bekannte Stücke wie "In the bleak midwinter", "O come all ye faithful" und "Hark! The Herald angels sing" stehen genauso auf dem Programm, wie auch ganz neue, zeitgenössische Werke.

DOMRADIO.DE: Sie haben selbst zu den Texten dieses Gottesdienstes, die in England entstanden sind, eine Übersetzung angefertigt. Was macht für Sie den Reiz der "Nine Lessons and Carols" aus?

Domkapitular Msgr. Markus Bosbach / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domkapitular Msgr. Markus Bosbach / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Msgr. Markus Bosbach (Kölner Domkapitular, Präsident des Allg. Cäcilienverbands in Deutschland): Der Reiz dieses Gottesdienstes ist, dass man sich fallen lassen kann: in die Texte, die vorgelesen werden, in die Musik, die gesungen wird von den Chören und dann aber auch in das eigene Mitsingen. Es ist ein Gottesdienst, der keine riesige intellektuelle Hürde stellt, für den, der mitfeiert. Ich muss mich nicht zur Konzentration zwingen auf eine lange Predigt. Es ist einfach ein  Hören, ein Aufschnappen von Tönen und Gedanken, die mich dann weiter begleiten.

DOMRADIO.DE: Eine Predigt ist gar nicht vorgesehen in dem Gottesdienst, dafür neun biblische Lesungen, beginnend mit Adam und Eva bis hin zum berühmten Beginn des Johannes-Evangeliums. Sind es die wichtigsten weihnachtlichen Texte oder wie kommt es zu der Auswahl?

Msgr. Bosbach: Ich finde die Auswahl eigentlich ganz toll, weil sie den großen Bogen spannt von der Erschaffung des Menschen und sein Versagen, dann hören wir aber auch die Botschaften der Hoffnung aus den Propheten, die sich dann in Jesus Christus und seiner Menschwerdung erfüllen. Da wird der ganz große Bogen geschlagen. Und zugleich hört man wirklich noch mal die ganze Weihnachtsgeschichte und eben nicht nur den uns vertrauten ersten Teil von der Geburt in Bethlehem, sondern man hört wirklich von Anfang bis Ende all das, was rund um das Thema Weihnachten in der Bibel von großer Bedeutung ist.

DOMRADIO.DE: Im 19. Jahrhundert hat man diese Art von Gottesdienst erfunden, es sollte Weihnachtsgottesdienst auf gewisse Art und Weise revolutionieren. Ist das zeitlos modern?

Msgr. Bosbach: Ja, weil die Heilige Schrift zeitlos modern ist und weil die Musik, die klassisch in England zu den "Nine Lessons and Carols" ausgesucht wird, auch in gewisser Weise zeitlos ist, weil sie von den ältesten Weihnachtsliedern bis zu zeitgenössischen Kompositionen eine wahnsinnige Bandbreite bietet.

Msgr. Markus Bosbach

"Die Christmette in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember, die ist einfach nicht zu toppen."

DOMRADIO.DE: Ist es die vielleicht reinste Art, Weihnachtsgottesdienst zu feiern?

Msgr. Bosbach: Das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, es gibt ganz viele Weisen Weihnachtsgottesdienste zu feiern. Ich würde auch für mich als katholischer Christ sagen, die Christmette in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember, die ist einfach nicht zu toppen. Für mich gehört es eben dazu, dass Christus Mensch und Fleisch wird, und ich ihn in der Feier, in der Eucharistie ganz eng empfangen kann. Das steht natürlich in dieser anglikanischen Gottesdiensttradition nicht an erster Stelle. Aber sie ist wertvoll, weil sie eben den Fokus wirklich auf die biblische Botschaft richtet und nicht jetzt auf irgendwelche anderen Themen, die wir heute auch ganz gerne mit Weihnachten verbinden: allgemeine Wertefragen, Liebe und Hoffnung, die gerne Weihnachten noch einmal hervorgeholt werden.. Aber hier kann man noch einmal wirklich hören: Worin gründet für Christinnen und Christen diese Hoffnung?

Christmette im Kölner Dom / © Nicolas Ottersbach (DR)
Christmette im Kölner Dom / © Nicolas Ottersbach ( DR )

DOMRADIO.DE: Gibt es Momente, die sie ganz persönlich besonders faszinieren bei den "Nine lessons and carols"?

Msgr. Bosbach: Ja, das eigentlich der Anfang und das Ende. Klassischerweise beginnt ja eine einzelne Sopranstimme und verkündet in die Stille hinein: "Einst in der Stadt Davids" / "Once in Royal David‘s City". Es beginnt ganz schlicht und dann hört man die ganze biblische Botschaft aus Altem und Neuem Testament, die zusammengefasst wird in diesen großartigen Worten des Johannes-Prolog. "Im Anfang war das Wort". Und dann kommt "O come all ye faithful" / "Nun freut euch, ihr Gläubigen", dann im besten Fall mit Trompeten, großer Orgel und Überchören. Man kommt also aus der Stille wirklich in diesen unglaublichen Jubel, der auf dieses eigentlich ja so unfassbare Geheimnis antwortet, dass Gott Mensch wird.

DOMRADIO.DE: Mit der Musik wird die Weihnachtsbotschaft auch emotional transportiert. Ist das die Aufgabe der Musik, gerade bei dieser Form des Gottesdienstes, die Emotionen zu wecken und nicht nur den Verstand anzusprechen wie bei den Bibeltexten?

Msgr. Bosbach: Ich würde Emotionen und Verstand nicht gegeneinander ausspielen. Sie sind Annäherungen an das Geheimnis aus unterschiedlichen Perspektiven. Ich würde nie nur auf Emotionen setzen oder nur auf den Verstand. Christlicher Gottesdienst ist ja von Anfang an etwas sehr sinnlich Erfahrbares. Alle Sinne werden angesprochen, wenn Weihrauch mit im Spiel ist sogar noch der Geruchssinn. Weil es um ein Geheimnis geht, dass ich nicht einfach mit einem Satz erfassen kann. Ein biblisches Wort wie "Das Wort ist Fleisch geworden", das kann ich nicht mal eben so begreifen, ich kann mich nur im Suchen annähern. Und da ist die Musik und die Weise, wie die Musik die Worte ausdeutet, eine ganz erhabene und von der Kirche immer bevorzugte Weise, wie das geschehen kann.

Msgr. Markus Bosbach

"Das würde ich mir für unsere großartige deutsche Weihnachtstradition auch noch viel mehr wünschen, dass Schriftstellerinnen und Schriftsteller gute Texte produzieren, die dann auch Komponistinnen und Komponisten anregen, sie zu vertonen."

DOMRADIO.DE: Im King’s College in Cambridge an Heiligabend auch immer neue, zeitgenössische Weihnachtsmusik geboten. Jahr für Jahr werden neue Vertonungen in Auftrag gegeben. Braucht es das, dass man die Weihnachtsbotschaft immer wieder neu in Musik umsetzt? 

Msgr. Bosbach: Ja, die Weihnachtsbotschaft bleibt aktuell, und deshalb sollte auch die Musik aktuell bleiben. Da ist England sicher für uns ein großes Vorbild, weil immer wieder neue Musik komponiert wird. Und zwar nicht nur zu neuen Texten, sondern auch zu Texten der ganzen biblischen und Literaturgeschichte. Es gibt in England neue Vertonungen auf mittelalterliche Texte, die neu entdeckt werden. Aber es gibt genauso moderne Poesie, die in Musik gebracht wird. Und das würde ich mir eigentlich für unsere großartige deutsche Weihnachtstradition auch noch viel mehr wünschen, dass Schriftstellerinnen und Schriftsteller gute Texte produzieren, die dann auch Komponistinnen und Komponisten anregen, sie zu vertonen. Und dass sie daraus etwas machen, das jetzt nicht nur der hochprofessionelle Chor singen kann, sondern auch ein guter, normaler Chor. Vielleicht kann man so ja auch auf die Repertoires in unseren Gemeinden Einfluss nehmen.

Christmette im Kölner Dom / © Nicolas Ottersbach (DR)
Christmette im Kölner Dom / © Nicolas Ottersbach ( DR )

DOMRADIO.DE: Was macht die Botschaft von Weihnachten eigentlich so stark? Selbst in unserer sehr säkularisierten Gesellschaft löst Weihnachten bei den Menschen etwas aus. Das muss mehr sein als Tradition und Kindheitserinnerung.

Msgr. Bosbach: Unbedingt. Wenn ich versuche, das in eine säkularisierte Gesellschaft zu bringen, dann würde ich immer ansetzen dabei, dass es an Weihnachten um die Geburt eines Kindes geht. Die Geburt eines Kindes ist unabhängig davon, ob jemand glaubt oder nicht, hoffentlich doch immer noch ein Zeichen der Hoffnung für diese Welt. Natürlich gibt es Menschen, die sich Sorgen machen, ob man heute, so wie unsere Welt aussieht noch verantwortet Kindern das Leben schenken kann. Aber wo Menschen anderen Menschen das Leben schenken, da ist Hoffnung. Da glauben wir daran, dass es weitergeht. Das ist für mich erst mal die die Grundbotschaft. 

Und darauf kann ich aufbauen und sagen, es ist in der Geburt dieses einen Kindes Gott selbst, der diese Zukunft schafft. Gott selbst setzt dieses Zeichen, dass er den Menschen nicht allein lässt. Nicht so, wie der Mensch sich eben alleingelassen findet, sich gegenseitig umbringt und immer wieder in sich verrennt. Nein, Gott sagt, das alles wird dieses Kind besiegen, indem es sich selbst an unsere Stelle setzt. Durch seinen Tod und seine Auferstehung vernichtet es unsere Sünden und schafft damit eine Zukunft, die nochmal über dieses Leben hinausreicht in die große Ewigkeit.

Das Interview führte Matthias Friebe.

Geschichte des Allgemeinen Cäcilienverbands für Deutschland

Die von der humanistischen Geistesströmung des vorigen Jahrhunderts ausgelöste allgemeine Rückbesinnung auf die Antike und auf älteres Kulturgut überhaupt erfasste schon früh die katholische Kirche, insbesondere deren Liturgie und Kirchenmusik.

Sängerinnen und Sänger des Kammerchores Chemnitz, des Landesjugendchores Sachsen und der Singgemeinschaft Großenhain treten zum Abschluss des Deutschen Chorfests auf dem Markt in Leipzig auf. / © Hendrik Schmidt (dpa)
Sängerinnen und Sänger des Kammerchores Chemnitz, des Landesjugendchores Sachsen und der Singgemeinschaft Großenhain treten zum Abschluss des Deutschen Chorfests auf dem Markt in Leipzig auf. / © Hendrik Schmidt ( dpa )
Quelle:
DR