Caritas in Afghanistan unterstützt Erdbebenopfer

"Eine Katastrophe auf die Katastrophe drauf"

Über 1.000 Menschen sind bei einem verheerenden Erdbeben in einer Provinz Afghanistans ums Leben gekommen. Für viele wird die ohnehin schon angespannte Lage nach der Machtübernahme der Taliban noch schlimmer, befürchtet die Caritas.

Erdbeben in Afghanistan / © Uncredited/AP/dpa
Erdbeben in Afghanistan / © Uncredited/AP/dpa

DOMRADIO.DE: Wie haben die Menschen in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf diese Tragödie reagiert?

Stefan Recker, deutsches Büro der Caritas in Afghanistan / © Caritas Germany Country Office Afghanistan (CI)
Stefan Recker, deutsches Büro der Caritas in Afghanistan / © Caritas Germany Country Office Afghanistan ( CI )

Stefan Recker (Büroleiter von Caritas International in Kabul): Richtig bemerkenswert war das hier nicht. Ich habe mit einigen Kolleginnen und Kollegen am Morgen gesprochen als klar war, dass es ein Beben gab. Ich selber bin nachts ganz kurz aufgewacht. Das hat ein bisschen gerüttelt. Da hat man sich keine großen Gedanken gemacht.

Erst später am Morgen, als die Nachrichten aus Deutschland eintrafen, ist mir eigentlich aufgefallen, dass es überhaupt ein Beben gab. Auch die afghanischen Kolleginnen und Kollegen im Büro haben nicht großartig was gesagt. Also, in Kabul hat man das gar nicht richtig mitbekommen.

Man muss allerdings dazu sagen, dass die Menschen hier durch die Wirtschaftskrise und den politischen Umschwung so betroffen sind, dass sie ganz andere Probleme und Nöte haben und sich mit diesem Beben gar nicht beschäftigen können.

DOMRADIO.DE: Seit einem knappen Jahr regieren die Taliban. Sie haben gerade gesagt, dass die Menschen mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind. Womit denn?

Recker: Vor allem mit der Wirtschaftskrise, die infolge des politischen Übergangs entstanden ist. Hintergrund ist die Machtübernahme der Taliban und die damit verbundenen Sanktionen der restlichen Welt.

Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal. Die Menschen, die bei uns hier im Büro arbeiten, haben zumindest einen Job. Aber die sind dann für Dutzende anderer Menschen verantwortlich. Aber es gibt viele Millionen Menschen im Land, die keine Perspektive haben. Das ist das große Problem.

Stefan Recker

"Es gibt viele, viele Tausende, Millionen Menschen hier im Land, die keine Perspektive haben. Und das ist das große Problem."

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten mit Caritas International in Afghanistan und sind als Hilfsorganisation vor Ort. Haben Sie denn seit der Regierungsübernahme durch die Taliban Schwierigkeiten?

Recker: Wir stellen nicht heraus, dass wir eine christliche, katholische Organisation sind. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass viele Menschen das gar nicht wissen. Wir leisten hier ganz normale humanitäre Hilfe.

Mit den Taliban haben wir nicht wesentlich größere Probleme als mit der Vorgängerregierung, um das mal so auszudrücken. Man muss dazu sagen, dass die Taliban teilweise völlig ungebildet sind und auch keine Ahnung haben, wie man eigentlich ein Land regiert. Von daher stellen sich dann Fragen, die normalerweise für niemanden eine Frage sind, aber die müssen trotzdem beantwortet werden. Es ist schon schwierig, aber nicht unmöglich.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet denn dieses Erdbeben für die Menschen in der betroffenen Region?

Recker: Denen geht es natürlich noch viel schlechter. Das ist eine sehr entlegene Gegend, die sowieso noch ärmer ist als der Rest des Landes. Das betrifft die sehr schlimm.

Kann man es vielleicht damit vergleichen, als hätte die Flutkatastrophe, die letztes Jahr in Westdeutschland passiert ist, eine ganz arme Gegeng getroffen, in der es keine Infrastruktur, keine Nothilfe-Maßnahmen gibt. Die Taliban haben da ein paar Hubschrauber hingeschickt. Der Afghanische Rote Halbmond ist dort hingegangen. Wir selber werden mit einem Partner dort Hilfsmaßnahmen durchführen. Also, wir versuchen das Möglichste, aber für die Menschen ist es noch mal eine Katastrophe auf die Katastrophe drauf.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR