"Diese Richtlinie ist sicherlich ein wichtiger Meilenstein bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen derjenigen mit geringem Einkommen und derjenigen, die am stärksten von finanzieller Armut bedroht sind", erklärte Shannon Pfohman, Referentin bei der Caritas Europa, in einem am Freitag veröffentlichten Interview gegenüber Radio Vatikan.
"Sie ist super wichtig, weil sie für alle Arbeitnehmer in der EU gilt, die einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis haben." Das gelte gerade auch angesichts steigender Energie- und Lebenshaltungskosten.
Senkung der Armut um bis zu 20 Prozent
Wieweit die neue Richtlinie die Armut trotz Erwerbstätigkeit in den jeweiligen Ländern mindern könne, hänge davon ab, wie genau die einzelnen Ländern ihre Mindestlöhne festlegten. Aber die europäische Kommission gehe davon aus, dass in einigen Ländern, etwa Estland, Griechenland und Rumänien, durch die neue Richtlinie die Armut trotz Erwerbstätigkeit um mehr als 20 Prozent verringern könne.
Die beschlossene Richtlinie verpflichtet die EU-Staaten unter anderem dazu, in den nächsten zwei Jahren einen Mindestlohn auf den Weg zu bringen, der allerdings nicht in allen Ländern gleich ist, sondern sich an Kriterien wie den jeweiligen Durchschnittslöhnen orientieren soll.
Forderung nach umfassenderem Ansatz
Obwohl die neue Richtlinie für die Armutsbekämpfung wichtig sei, müsse sie gleichzeitig Teil eines umfassenderen Ansatzes sein, erklärte Pfohman weiter. Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen seien, müssten unterstützt und befähigt werden, ihre Menschenwürde zu wahren. Um Armut zu bekämpfen, müsse noch viel mehr gemacht werden.
"Das bedeutet, dass Sozial-, Arbeits- und Umweltpolitik zusammenarbeiten müssen, um die Armut zu bekämpfen und niemanden zurückzulassen", so Pfohman wörtlich. Gerade Menschen, die aus gesundheitlichen, psychischen oder anderen Gründen keiner Arbeit nachgehen könnten, müssten noch mehr in den Blick genommen werden.
Richtlinie wichtig in Ländern mit wenig Sozialhilfe
Mit Blick auf die Kritik, die einige Länder wie Dänemark oder Schweden an der Mindestlohnrichtlinie geübt hatten, erklärte Pfohman, sie könne verstehen, dass Länder, die ein gutes Sozialsystem haben, ihre Standards nicht herunterschrauben wollten. "Aber wir sehen die Richtlinie als sehr wichtig an, weil es andere Länder gibt, die wenig Sozialhilfe leisten und sie brauchen diese EU-Standards, damit sie das überhaupt auf ein normales Niveau heben können."