DOMRADIO.DE: "Für Klimaschutz, der allen nutzt" lautet das Motto der Jahreskampagne der Caritas. Warum kümmert sich ein Sozialverband jetzt um den Klimaschutz?
Dr. Frank Johannes Hensel (Diözesan-Caritasdirektor im Erzbistum Köln): Die Erderwärmung hat sehr viel mit dem sozialen Klima zu tun, denn es wird schon jetzt für einige sozial sehr kalt, weil sie vom Klimawandel sehr betroffen sind. Auf der Welt gibt es Gegenden, die unbewohnbar werden. Bei uns gibt es Wohnungen, die unbezahlbar sind, wenn sie energetisch saniert werden oder unbenutzbar, wenn sie nicht saniert werden. Der Klimawandel betrifft die Menschen sehr unterschiedlich.
DOMRADIO.DE: Und was unternimmt die Caritas dagegen?
Hensel: Wir haben uns das Jahresmotto "Für Klimaschutz, der allen nutzt" gegeben, um darauf hinzuweisen, dass wir natürlich in den Klimaschutz investieren müssen, aber uns auch uns klug dazu verhalten und den sozialen Ausgleich suchen müssen.
Wir müssen uns klar machen, dass die reichsten zehn Prozent in diesem Land einen 15mal größeren CO2-Fußabdruck haben, als die ärmsten zehn Prozent. Also wird da auch mehr zu verlangen sein, da ist auch mehr möglich.
Warum das so ist, ist auch klar: Wir gönnen jedem seinen Lebensstil, aber dann muss man auch Verantwortung übernehmen für das, was man an Klimaveränderung lostritt. Und dafür werben wir.
DOMRADIO.DE: Und wie verbindet die Caritas Klimaschutz mit sozialem Ausgleich?
Hensel: Zum Beispiel durch das Upcycling-Projekt "Einzigware", wo aus gebrauchten Materialien kreative neue Dinge hergestellt werden. Durch unsere Energiesparberater, die Leuten unmittelbar dabei helfen, ihre Kosten für Heizung und Strom zu verringern. Oder durch unsere vielen Sozialkaufhäuser, die gebrauchte Waren zu kleinen Preisen anbieten und gleichzeitig Langzeitarbeitslosen eine Chance auf den Wiedereinstieg in den Job geben.
Die Caritas hat sich vorgenommen, bis 2030 mit ihren rund 25.000 Einrichtungen klimaneutral zu werden.
DOMRADIO.DE: Was sagen Sie Menschen, die gebrauchte Waren nicht kaufen würden, weil sie das unangenehm finden?
Hensel: Ich kann das nicht so richtig verstehen. Ich finde es toll, wenn man etwas weiterverwenden kann. Es geht ja darum, ob es einem gefällt und nicht, ob es neu ist.
DOMRADIO.DE: Klimaschutz und sozialer Ausgleich: Wie bewerten Sie das, was die aktuelle Bundesregierung in diesem Bereich macht?
Hensel: Bei der Benzinpreisbremse ist es gründlich danebengegangen. Die Mietpreisbremse nach energetischer Sanierung reicht nicht, um die Mieten einzufangen, das ist auch ein Problem, da müsste man auf jeden Fall mehr tun.
Und mit dem "Deutschland-Ticket" für 49 Euro ist ein Anfang gemacht. Aber für die, die wenig Geld haben, ist das viel mehr, als beispielsweise im Sozialhilfesatz drin ist. Für diese Menschen ist das noch keine Lösung. Da muss der Preis noch runtergehen, um Mobilität zugunsten des öffentlichen Verkehrs hinzubekommen. Da ist noch deutlich Ausbaubedarf, wenn wir soziales Klima und Klimaschutz verbinden wollen.
DOMRADIO.DE: Was fordern Sie?
Hensel: Ein 29-Euro-Ticket. Am liebsten noch weniger, aber wir müssen irgendwo ein Anfang machen. Ein 29-Euro-Ticket für die Menschen, die weniger Geld haben, damit sie auf die Schiene umsteigen können. Ich finde es ganz wichtig, den Schienenverkehr auszubauen und bedauere, dass das nicht stärker geschieht.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.