DOMRADIO.DE: Caritas International hilft unteranderem den Menschen im Ostkongo. Dort fehlt es teilweise an allem. Was würde es bedeuten, wenn Ihre Partner vor Ort nicht mehr finanziert würden?
Oliver Müller (Leiter des Hilfswerks Caritas International): Das würde bedeuten, dass 150.000 Menschen kein frisches Trinkwasser mehr haben; dass es keine mobilen Kliniken für schwangere Frauen mehr gibt, die dort unter sicheren Verhältnissen ihre Kinder auf die Welt bringen können. Das wäre schon ziemlich verheerend, weil gerade die Caritas zum Beispiel in Goma im Ostkongo und auch die katholische Kirche wesentliche Träger von solchen Hilfsprojekten sind. Die werden zwar aus Spenden finanziert, wofür wir sehr dankbar sind, aber in diesem Umfang geht es letztlich nur mit öffentlichen Mitteln.
DOMRADIO.DE: Ein anderer Krisenherd ist Afghanistan. Die Bundesrepublik unterhält dorthin keine diplomatischen Beziehungen, seit die Taliban dort die Macht haben. Sie als der Caritas haben weiterhin ein Büro in Kabul. Inwiefern werden Sie dort von der Bundesregierung unterstützt?
Müller: Es gelingt uns weiterhin, unter den nicht einfachen Bedingungen in Afghanistan zu arbeiten. Das Land hat jede Hilfe verdient, weil über 90 Prozent der Menschen unter schwerer Armut leiden. Es geht hier um eine vergessene Katastrophe. Wir konnten in der Vergangenheit immer wieder auf Mittel des Auswärtigen Amtes zurückgreifen.
In Afghanistan, aber auch in vielen anderen Ländern, erleben wir eine Zurückhaltung des Ministeriums. Nicht aus bösem Willen, sondern man sieht dort durchaus den Bedarf. Aufgrund der unsicheren Haushaltslage und möglicher Kürzungen in den Etats für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit hält man sich aber zurück. Es hängt momentan einiges in der Luft. Wir hoffen nach wie vor, dass es im Sinne notleidender Menschen weitergehen kann.
DOMRADIO.DE: Wie können Sie den Menschen in Kabul helfen?
Müller: Vieles hängt mit der Sicherung des Überlebens zusammen. Akut hungern 23 Millionen Menschen. Das heißt, es geht schlichtweg um die Sicherung der Ernährung. Dazu kommen Programme, damit die Menschen sich selbst besser vor Naturkatastrophen schützen können.
Zum Beispiel gibt es dort im Sommer häufiger Dürren. Im Winter kommt es zu Überschwemmungen. Trotz der schwierigen Gesamtbedingungen in Afghanistan können wir nach wie vor direkt zu den Menschen durchdringen. Das treibt uns an, auch weiterhin dort aktiv zu bleiben.
DOMRADIO.DE: Wenn staatliche Mittel ausfallen, können Sie die möglichen Finanzierungslücken mit Spendengeldern ausgleichen?
Müller: Wir dürfen auf die Unterstützung von sehr vielen Menschen zurückgreifen, die große Solidarität zeigen. Konkret sind das weit über 200.000 Menschen. Das ist auch ein Zeichen für die große Hilfsbereitschaft, die nach wie vor in der Bevölkerung herrscht. Aber gerade bei vergessenen Katastrophen geht es ohne die öffentlichen Mittel nicht.
Es hat sich in der Vergangenheit bewährt, dass dort das Auswärtige Amt oder das Entwicklungshilfeministerium unterstützen. Das ausgerechnet dort mit Kürzungen zu rechnen ist, wird letztlich die Ärmsten der Armen treffen. Das ist mit Spendenmitteln allein praktisch nicht auszugleichen.
DOMRADIO.DE: Ein ebenso präsenter Krisenherd ist Gaza. Seit Oktober leidet die palästinensische Bevölkerung unter diesem Konflikt. Wie riskant ist es, dort humanitäre Hilfe zu leisten?
Müller: Es ist nach wie vor sehr gefährlich und man muss sagen: Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza. Die Helferinnen und Helfer haben das vor wenigen Tagen wieder erfahren müssen, als eine katholische Schule beschossen wurde, wo sich Geflüchtete in Sicherheit gebracht haben.
Dabei sind auch Helfer der Caritas ums Leben gekommen. Viele unserer Helfer, die selbst noch nicht vertrieben sind und noch weiter arbeiten, haben ihr Zuhause verloren. Andere Helfer sind selbst geflüchtet. Die Verhältnisse vor Ort sind extrem prekär.