Caritas international sieht die gewaltsame Vertreibung von Hunderttausenden Angehörigen der Rohingya aus Myanmar nach Bangladesch als am schnellsten wachsende humanitäre Krise weltweit.
"Das Ausmaß von Gewalt und Flüchtlingselend ist katastrophal und steht in krassem Missverhältnis zur geringen öffentlichen Wahrnehmung", sagte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, am Donnerstag in Freiburg vor Journalisten. In den Flüchtlingscamps für inzwischen mehr als 700.000 Menschen fehle es an allem. Mehr als die Hälfte der in den vergangenen Wochen Vertriebenen seien Kinder.
Spenden benötigt: "Geduld der Verzweiflung"
"Wir wollen unsere bereits angelaufenen Hilfen wie die Verteilung von Nahrungsmitteln und Kochgeschirr schnell ausweiten. Dazu benötigen wir aber dringend weitere Spendenmittel", so Müller. Das Erzbistum Freiburg stellte am Donnerstag für die Soforthilfen und den Bau von Trinkwasserbrunnen 350.000 Euro bereit. Ein Caritasmitarbeiter berichtete telefonisch direkt aus dem größten Flüchtlingscamp nahe der Stadt Cox's Bazar. Mit der "Geduld der Verzweiflung" warteten die Menschen auf internationale Hilfen.
In Zusammenarbeit mit der örtlichen Caritas von Bangladesch seien in den vergangenen Tagen Lebensmittel und Kochgeschirr für 70.000 Menschen verteilt worden. "Diese Hilfen gehen weiter, im nächsten Schritt müssen wir die katastrophalen hygienischen Zustände in den Zeltstädten verbessern helfen, andernfalls droht ein Choleraausbruch." Caritas international betonte, die begonnenen Impfkampagnen der Vereinten Nationen reichten nicht aus.
Vertreibungen und Gräueltaten gehen weiter
Die vorwiegend muslimische Rohingya-Minderheit wird in Myanmar seit Jahrzehnten verfolgt. Infolge der jüngsten Eskalation, bei denen das Militär ganze Dörfer zerstörte, flohen Hunderttausende über die Grenze. Bangladesch ist selbst einer der ärmsten und dichtest besiedelten Staaten weltweit. Auf einer Fläche, die der Größe Bayern und Baden-Württembergs entspricht, leben 160 Millionen Menschen.
"Nun sind noch einmal mehr als 500.000 Rohingya hinzugekommen, gerade in die ärmste Region Bangladeschs", sagte der Caritas international-Asienreferent Peter Seidel. Die Vertreibungen gingen noch immer weiter. Zuletzt seien täglich jeweils mehr als 1.000 Rohingya neu in den Flüchtlingscamps registriert worden.
Seidel verwies neben ethnischen und religiösen Gründen auch auf ökonomische Ursachen der Vertreibungen und Gräueltaten wie Erschießungen und Vergewaltigungen. "Die Militärregierung von Myanmar hatte noch nie Skrupel, gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen, wenn es um wirtschaftliche Interessen ging, sei es beim Ausbeuten von Gasvorkommen für den Export nach China, sei es für die Produktion von Palmöl oder Opium."
Hoffnung liegt auf Papstreise nach Myanmar
Der Freiburger Domkapitular und Leiter der Abteilung Weltkirche des Erzbistums Freiburg, Peter Birkhofer, verwies auf die vom 26. November bis 2. Dezember geplante Reise von Papst Franziskus nach Myanmar und Bangladesch. "Ich hoffe, dass diese Reise das internationale Augenmerk auf diese Katastrophe verstärkt und zu einer Lösung der Krise beitragen kann."
Caritas international rechnet vorerst nicht mit einer schnellen Besserung. Derzeit sei völlig unklar, wie eine friedliche Zukunft für die als staatenlos geltenden Rohingya aussehen könnte. An Rückkehr glaube derzeit niemand, trotz offiziell anderslautender Appelle der Militärführung in Myanmar. Die Menschen brauchten deshalb dringend langfristige Unterstützung. Außer für die Flüchtlinge müsse es auch Hilfen für die arme lokale Bevölkerung in Bangladesch geben.
Andernfalls drohten dramatische Konflikte um die wenigen Ressourcen vor Ort.
UN-Report zur Rohingya-Krise
Zuletzt hatten die Vereinten Nationen einen Bericht zur Rohingya-Krise vorgelegt und dazu Flüchtlinge in den Camps befragt.
Der Report dokumentiert extreme Grausamkeiten und systematische Verbrechen. Laut Caritas ist das gesamte ursprünglich von den Rohingya bewohnte Gebiet in Myanmar komplett abgeriegelt. «Unter Ausschluss der Öffentlichkeit geht die Katastrophe weiter», so Länderexperte Seidel.