Die größte touristische Attraktion von Cox's Bazar am Golf von Bengalen ist der goldgelbe Stadtstrand, der zu den längsten der Welt gehört. Wenige Kilometer von der Strandidylle mit den bunten Sonnenschirmen entfernt haben Rohingya auf dem rotem, vom Regen aufgeweichten Boden blaue Plastikplanen als notdürftigen Schutz vor der sengenden Sonne und den schweren Monsunwolkenbrüchen aufgespannt.
"Schockierende Erfahrung"
"Der Besuch in den Lagern war für mich und meine Begleiter eine wirklich schockierende Erfahrung", berichtet Erzbischof Moses Costa auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er hatte Ende September zusammen mit Kardinal Patrick D'Rozario, Erzbischof von Dhaka in Bangladesch, die Flüchtlingslager im Distrikt Cox's Bazar besucht.
Costa ist Bischof von des Erzbistums Chittagong, zu dem auch die 150 Kilometer südlich gelegene Stadt Cox's Bazar gehört. "Die vielen Flüchtlinge leben unter unmenschlichen Bedingungen. Es regnet jeden Tag. Das Klima ist heiß und feucht", so der Bischof. Die Menschen benötigten "dringend Nahrungsmittel, Medizin, gute Unterkünfte und sanitäre Einrichtungen".
Gewalt in Myanmars Teilstaat Rakhine
Viele Frauen und Kinder seien inzwischen depressiv, ergänzte er. Die Flüchtlinge hätten ihm von der Gewalt in Myanmars Teilstaat Rakhine, von Vergewaltigungen und von der Ermordung von Angehörigen berichtet. "Hunderttausende solcher herzzerreißenden Geschichten warten darauf, der Welt erzählt zu werden." Ende November begibt sich Papst Franziskus auf eine heikle Mission nach Myanmar und Bangladesch.
Dass Costas Heimatland die Flüchtlinge aus Rakhine aufgenommen hat, während Myanmar die Fluchtwege der Rohingya mit Landminen bestückt, erklärt der Erzbischof mit der Geschichte Bangladeschs. "Während des Befreiungskriegs (von Pakistan) 1971 haben wir Bangladescher selbst den Schmerz und die Bitterkeit eines Daseins als Flüchtlinge erfahren."
Lager keine dauerhafte Lösung
Costa, seine Bischofskollegen und die Regierung von Bangladesch stellen aber auch klar, dass die Lager keine dauerhafte Lösung sind und die Rohingya nicht im hoffnungslos überbevölkerten Bangladesch bleiben können. "Myanmar muss die Flüchtlinge als seine Staatsangehörigen akzeptieren. Garantierte Grundrechte könnten sie dazu bringen, in ihr Heimatland zurückzukehren." Aus seinen Gesprächen mit Flüchtlingen aber weiß Erzbischof Costa, dass niemand zurückwill. "Angst und Unsicherheit sind zu groß."
Die Vereinten Nation (UN) sprechen von Völkermord und ethnischen Säuberungen in Rakhine und werfen Myanmar Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Vertreter von Myanmar und Bangladesch haben sich in der vergangenen Woche in Dhaka zu einem ersten Gespräch über die Flüchtlingsfrage getroffen. Die anschließenden Stellungnahmen der beiden Regierungen hörten sich allerdings an, als seien die Gesprächspartner auf unterschiedlichen Veranstaltungen gewesen.
Papstreise nach Myanmar
Myanmar wolle die Flüchtlinge zurücknehmen, sagte Bangladeschs Außenminister Abul Hassan Mahmood Ali. Die Regierung von Myanmar verkündete, man habe mit Bangladesch eine Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus vereinbart.
Die Papstreise wird ein schwieriger diplomatischer Balanceakt. In Bangladesch erwarten viele von Franziskus klare Worte zu der Gewalt gegen die Rohingya. Im überwiegend buddhistischen Myanmar hingegen genießen Aung San Suu Kyi und die Armee für ihren harten Kurs gegen die Rohingya breite Zustimmung. Deshalb dämpfte Ende September Kardinal Charles Bo, Erzbischof von Rangun, die Erwartungen an den Papst: "Das Militär und die Regierung zu kritisieren, könnte kontraproduktiv sein."
Die Situation in den Lagern ist dramatisch, die Hygienebedingungen sind besorgniserregend. Die Vereinten Nationen befürchten, die Zahl der Flüchtlinge könnte auf 700.000 steigen. Hinzu kommen die rund 400.000 Rohingya, die bereits vor Jahren aus Myanmar geflohen sind.
Eine Million Menschen braucht Versorgung
Alles in allem, so die UN, müsse mindestens eine Million Menschen in den Lagern von Cox's Bazar mit Nahrung, Wasser, ärztlicher Betreuung, Schulen und Unterkünften versorgt werden. Die Kosten schätzen die UN auf fast eine halbe Milliarde US-Dollar.
Erste Berichte von Durchfallerkrankungen machen die Runde. Und 70.000 Frauen sind den Angaben zufolge schwanger. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef betonte am Mittwochnachmittag, die Krise rund um die Rohingya sei "die am schnellsten fortschreitende Flüchtlings-Notlage der Welt".