DOMRADIO.DE: Caritas International hat 50.000 Euro für die Nothilfe nach den Waldbränden der vergangenen Woche in Chile bereitgestellt. Was kann mit diesem Geld konkret geleistet werden?
Kilian Linder (Lateinamerika-Referent von Caritas International): Diese Mittel sind ein Beitrag, um in der akuten Nothilfephase das Nötigste zur Verfügung zu stellen. Das sind Dinge des täglichen Bedarfs, weil die Menschen, die ihre Häuser verloren haben, die obdachlos geworden sind, alles verloren haben.
Deswegen geht es einerseits um basale Hygieneartikel, Zahnbürsten, Zahnpasta, aber auch um Nahrungsmittel, Kleidung und Decken.
Das ist nur ein Beitrag, der ergänzt, was international und national von Caritas Chile an Spenden eingeworben wird. Das wird auch von anderen Caritasorganisationen, zum Beispiel aus den Vereinigten Staaten, solidarisch unterstützt.
DOMRADIO.DE: Das Thema Brandbekämpfung spielt in Chile schon länger eine Rolle. Warum gehen dort regelmäßig ganze Dörfer und Wälder in Flammen auf?
Linder: Es gibt mehrere Faktoren. Das eine könnte man als klimatische Faktoren benennen. Die Erde erwärmt sich immer weiter und die Temperaturen steigen. In diesem Jahr haben wir das Klimaphänomen „El Niño“, das den Wasserhaushalt in Lateinamerika durcheinanderbringt. Aktuell führt das in Chile zu Wind und Trockenheit.
Außerdem gibt es soziale Faktoren. Das, was wir Waldbrände nennen, müsste man eigentlich als Forstbrände bezeichnen, weil riesige Forstplantagen, eigentlich Pinienplantagen oder Eukalyptusplantagen betroffen sind.
Um die Rendite möglichst hochzuhalten, werden die ganz nah bis an die Siedlungen heran gebaut. Die haben oft eine Werksfeuerwehr, aber die ist nicht für die Dörfer zuständig.
Zudem wird in Chile sehr viel mit Holz gebaut. In der Nähe der Plantagen wohnen oft ärmere Familien, die sich nicht gut gegen die Brände absichern können.
Es gibt keinen etablierten Brandschutz und keine Müllabfuhr, das führt dazu, dass sich kleinste Auslöser entzünden. Das ist der menschliche Faktor: eine glimmende Zigarette, ein Grill, Feuer am Waldrand oder Müllreste. Auch Brandstiftung führt dazu, dass ganze Forstplantagen abbrennen.
DOMRADIO.DE: Eine prekäre Situation. Deshalb ist Caritas Chile schon länger aktiv in Sachen Brandprävention. Das hat sich jetzt bemerkbar gemacht, dass Bemühungen laufen.
Linder: Das ist richtig. Es gibt zum Beispiel am Rande der Großstadt Valparaíso die sogenannten "Villa Britannia“. Das ist eine Siedlung, die vor den Bränden geschützt werden konnte, obwohl sie mitten in der Feuerschneise lag, weil Caritas Chile gemeinsam mit dieser Gemeinde daran gearbeitet hat, sie besser für diesen Fall vorzusorgen.
Sie haben dafür gesorgt, dass die Wege sauber sind. Die haben dafür gesorgt, dass die Gemeinde organisiert ist, dass man sich kennt, dass man weiß, wo die besonders bedürftigen und vulnerablen Menschen sind.
Die haben gemeinsam einen Evakuierungsplan ausgearbeitet. Das sind alles Maßnahmen, die dazu beitragen, die menschlichen Tragödien, die mit so einem Waldbrand in Verbindung stehen, zu reduzieren.
Die Katastrophenvorsorge rettet das Leben der Menschen. Sie reduziert den materiellen Schaden und sie kann auch die Ökosysteme retten, von denen wir abhängig sind. Das ist immer günstiger als die Nachsorge.
DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, die 50.000 Euro gehen erst mal in die Nothilfe. Wie muss es danach weitergehen?
Linder: Das wird erst mal ein paar Monate gehen. Menschen, die alles verloren haben, müssen unterstützt werden, weil sie abhängig geworden sind. Im Anschluss an diese unmittelbare Nothilfephase wird es eine Phase der Rehabilitation geben, wo es darum geht, dass Menschen wieder eigenständig ihr Geld verdienen können.
Oft sind mit den Häusern auch die Einkommensmöglichkeiten abgebrannt. Darin wird investiert und in den Wiederaufbau, wobei das teilweise auch von staatlichen Programmen unterstützt wird.
Danach wird in eine noch bessere Brandvorsorge investiert. Das ist für uns als Caritas International gemeinsam mit Caritas Chile wichtig, dass man in die Katastrophenvorsorge vor Waldbränden investiert, weil sich das, wie sich jetzt gezeigt hat, einfach lohnt. Mit den begrenzten Mitteln, die uns zur Verfügung stehen hat das einen besseren Multiplikationseffekt.
Das Interview führte Hilde Regeniter.