Caritas thematisiert Diskriminierung bei Wohnungssuche

"Das ist leider Alltag in Deutschland"

Rassismus auf dem Wohnungsmarkt ist auch in Köln an der Tagesordnung. Der Runde Tisch für Integration und die Caritas wollen das mit deutlichen Appellen an Vermietende und einem Bewusstseinswandel innerhalb der Bevölkerung ändern.

Rassismus bei der Wohnungssuche gehört in Köln zum Alltag / © Paul Zinken (dpa)
Rassismus bei der Wohnungssuche gehört in Köln zum Alltag / © Paul Zinken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was kann man erleben, wenn man sich mit einem nicht auf den ersten Blick deutsch klingenden Namen auf eine Wohnung bewirbt? 

Maristella Angioni (Leitung der Caritas Integrationsagenturen Köln): Da können Sie zum Beispiel erleben, dass Sie bereits am Telefon die Aussage bekommen, die Wohnung sei schon belegt. Wir haben mit Kolleginnendiesen Versuch selbst gemacht. Die haben mit einem vermeintlich ausländisch klingenden Namen angerufen, da war die Wohnung besetzt. Nach ein paar Minuten haben wir uns mit einem deutschen Namen gemeldet und wurden zu einem Besichtigungstermin gebeten. Das ist leider Realität, obwohl es sehr nach Klischee klingt.

Sie haben bei der rassistischen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Menschen, die erst gar keine Chance haben, in Konkurrenz zu anderen Wohnungssuchenden zu gehen, weil sie die ersten Hürden schon gar nicht nehmen können. Das heißt, sie bekommen überhaupt keine Chance, sich um eine Wohnung zu bewerben oder sich vorzustellen, gar eine Wohnung zu besichtigen. Das ist leider Alltag in Köln und in Deutschland. 

Maristella Angioni, Leitung Caritas Integrationsagenturen Köln

"Das ist leider Realität, obwohl es sehr nach Klischee klingt."

DOMRADIO.DE: Und wenn dann doch eine Wohnung in Aussicht gestellt wird, müssen die Leute dann mehr bezahlen? Oder wie muss man sich das vorstellen? 

Angioni: Mehr bezahlen nicht. Es gibt immer wieder schwarze Schafe, auch unter Wohnvermietenden. Das ist aber, glaube ich, weniger das Problem. Das Hauptproblem ist tatsächlich, als Mensch mit einem von anderen zugesprochenen Hintergrund - wir reden hier von Menschen der vierten, fünften Generation, von deutschen Schwarzen, von Zugewanderten, die schon lange hier sind und denen man einfach von außen eine vermutete Andersartigkeit zuschreibt - keine Chance zu haben, eine Wohnung zu bekommen.

Im Übrigen geht es ja nicht nur um Menschen mit geringem Einkommen, sondern wir reden hier auch von Gutsituierten, die sich durchaus auch eine große Wohnung leisten können. 

Maristella Angioni, Leitung Caritas Integrationsbüros Köln

"Privat Vermietende sagen dann oft: Suchen Sie sich mal lieber eine Wohnung in Kalk. Da finden Sie Leute, mit denen Sie was gemeinsam haben. (...) Das geht nicht. 

DOMRADIO.DE: Gibt es dann auch Konzentrationen in der Stadt, dass man in manchen Vierteln vielleicht eher eine Wohnung bekommt als in anderen? 

Angioni: Leider ja. Das ist genau das Dilemma. Bei dieser Zuspitzung in bestimmten Stadtteilen steckt aus meiner Sicht auch eine Intention hinter. Privat Vermietende sagen dann oft: Suchen Sie sich mal lieber eine Wohnung in Kalk (Kölner Stadtteil, Anm. d. Red.). Da finden Sie Leute, mit denen Sie was gemeinsam haben. So wird versucht, das in einer schönen Form auszudrücken. Das geht nicht. 

DOMRADIO.DE: Sie versuchen das zu ändern. Aber die Wohnungen in Köln sind zu drei Viertel in privater Hand. Wie erreicht man denn diese privaten Vermieter? 

Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Sprecher Kölner Runder Tisch für Integration

"Wenn die Menschen in dieser Stadt getrennt wohnen, dann werden sie sich auch nicht miteinander verstehen."

Wolfgang Uellenberg-van Dawen (Sprecher Kölner Runder Tisch für Integration): Es geht um die Beachtung von Gesetzen, zum einen des Grundgesetzes. Das Grundgesetz schreibt im Artikel 3 ein eindeutiges Benachteiligungsverbot vor. Zum Zweiten gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 690.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Sitz des 1897 gegründeten Verbands ist Freiburg. Wichtige Bedeutung haben die Büros in Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )

Der erste Punkt ist der, dass man in der Öffentlichkeit zum Beispiel über die Organisation der Vermieter, über die Politik in einer öffentlichen Kampagne bekannt macht, dass Vermieterinnen und Vermieter Wohnungen nur nach zwei Kriterien vermieten sollten.

Und zwar erstens nach der Bonität derjenigen, die eine Wohnung mieten wollen, und zweitens nach dem Personal. Das heißt, die Vermieterinnen und Vermieter müssen wissen, dass sie sich ansonsten strafbar machen.

Wir stehen auch im Gespräch mit dem Eigentümerverband Haus und Grund und hoffen demnächst auch mal mit der GAG (GAG Immobilien AG, das größte Wohnungsunternehmen im Raum Köln, Anm. d. Red.) zu sprechen, dass die an diesem Punkt auch einwirkt. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist ein Bewusstseinswandel in dieser Stadt. Wenn die Menschen in dieser Stadt getrennt wohnen, dann werden sie sich auch nicht miteinander verstehen. Deswegen ist es ganz wichtig, dass in allen Vierteln eine "bunte Truppe" wohnt, eine bunte Zusammensetzung da ist, damit man sich auch besser kennenlernt.

Auch die Stadtspitze, der Rat der Stadt, kann kein Interesse daran haben, dass das anders ist. Darum ist unser Vorschlag, dass der Rat der Stadt Köln als oberstes gewähltes Gremium der Bürgerschaft sich ganz klar dafür einsetzt, dass das Gleichbehandlungsgebot eingehalten wird. Es ist wichtig, dass er gemeinsam mit Organisationen der Mieter, Vermieter und anderen eine Kampagne macht, in der die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht wird und diejenigen, die als Antidiskriminierungsbüros praktische Hilfe leisten, personell besser ausstattet. Das ist also eine Frage der Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Aber es geht eben nicht nur um Sensibilisierung, sondern es geht auch um den eindeutigen Hinweis: Da gibt es ein Gesetz, das aus gutem Grund erlassen worden ist.

Übrigens hat auch das Land NRW dieses Gebot im Integrations- und Teilhabegesetz. Insofern muss man eben sagen, dass wir möchten, dass ihr dieses Gesetz beachtet. Das schränkt natürlich die Handlungsfreiheit von Mietern und Vermietern ein. Aber das ist nun mal bei einem Gesetz so.

Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Sprecher Kölner Runder Tisch für Integration

"Ich glaube, wenn man das dann bei zwei, drei Leuten mal macht, die es ganz doll treiben, werden die anderen schon sehen: So ist es."

DOMRADIO.DE: Lässt sich denn kontrollieren, ob das Gesetz eingehalten wird. 

Uellenberg-van Dawen: Ja. Wenn etwa jemand in der Form, wie Frau Angioni das gesagt hat, belegen kann, dass er oder sie bewusst nicht eingeladen worden ist, kann man sich an das Antidiskriminierungsbüro wenden. Das kann eine Klage einreichen. Man kann sich nicht in eine Wohnung einklagen, aber der Vermietende kann verurteilt werden.

Allerdings hat das Gesetz ganz viele Schlupflöcher. Deswegen fordern wir parallel auch eine Klarstellung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, dass es eben keine Ausnahmen vom Gesetz gibt und dass zum Beispiel die Antidiskriminierungsbüros oder andere Verbände auch ein Klagerecht haben.

Ich glaube, wenn man das dann bei zwei, drei Leuten mal macht, die es ganz doll treiben, werden die anderen schon sehen, wie es ist.

Aber unser Hauptargument ist natürlich hinzuschauen. Zusammenhalt in der Stadt ist wichtig. Wenn jeder mit Ellenbogen durch die Gegend läuft und nur noch guckt, was seiner Maßgabe nach richtig ist, dann kann man in so einer schönen Stadt wie Köln eben nicht gut zusammenleben. 

Das Interview führte Heike Sicconi.

Quelle:
DR