Geplant ist eine Nacht im Freien unter dem Sternenhimmel. In diesem Jahr ist am jüdischen Fest Chanukka alles anders, auch für Vera Tal und weitere Leute des Kibbuz Magen nur wenige Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Wie in anderen Kibbuzim endete der Terror der Hamas hier für Menschen tödlich. Überlebende wie Tal sind momentan in einem Hotel am Toten Meer untergebracht.
Feierlichkeiten dauern acht Tage
Chanukka beginnt an diesem Donnerstagabend, vom Datum her genau zwei Monate nach dem Massaker am 7. Oktober, bei dem rund 1.200 Menschen ermordet und 240 Geiseln in den Gazastreifen entführt wurden. Der 7. Oktober war nicht nur der jüdische Ruhetag Schabbat, sondern auch der eigentlich freudige Feiertag Simchat Tora. Dieser wurde sehr dunkel, und das Lichterfest Chanukka ist seitdem das erste jüdische Fest.
Acht Tage wird es gefeiert, in diesem Jahr bis zum 15. Dezember. In Häusern und Synagogen zünden Menschen abends eine neue Kerze am neunarmigen Chanukka-Leuchter an. Es wird gesungen und gegessen, traditionell sind Speisen wie Latkes, eine Art Reibekuchen, und Sufganiot, in Öl gebackenes Spritzgebäck.
Freude und Trauer stehen nebeneinander
Die gebürtige Wienerin Vera Tal kam 1965 nach Israel. Sie und ihre Nachbarinnen und Nachbarn aus dem Kibbuz Magen müssen nun die Kerzen fernab ihres Heimatortes anzünden. Sie sind damit nicht allein, denn auch Mitglieder anderer überfallener Kibbuzim nahe dem Gazastreifen harren in diversen Regionen Israels aus.
"Feste werden gefeiert, auch in den betroffenen Familien, und neben der Trauer bleibt noch immer Platz für Freude und Hoffnung", schreibt Tal der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) per E-Mail, nachdem sie Ende November in einer Online-Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung über den 7. Oktober berichtet hat.
Ihre Kibbuzgemeinschaft will feiern: "Gemeinsam mit den Familien, die ihren Vater und Ehemann im Kampf um den Kibbuz verloren haben, vor allem auch für ihre Kinder, die ja schon auf das Fest warten". Tal ist sich sicher: "Jeder in Israel, unabhängig von seiner Weltanschauung, wird Kerzen für die Ermordeten, die Gefangenen, die gefallenen Soldaten anzünden."
"Das jüdische Volk hat immer überlebt"
Auch dort, wo die Hamas nicht gewütet, wohl aber für Raketenalarm gesorgt hat, kann Chanukka nur schwerlich wie sonst gefeiert werden. Davon berichtet der seit 19 Jahren in Israel lebende Koch Tom Franz, der gebürtiger Rheinländer ist. In Israel konvertierte er zum Judentum. Der orthodoxe Jude lebt mit seiner Familie nahe Tel Aviv, unweit der Grenze zum Westjordanland.
"Ich bin sicher, dass Chanukka in diesem Jahr Trost bringen kann", sagt Franz der KNA, während er zu Besuch in Deutschland ist. Der 50-Jährige zitiert einen beliebten Spruch, mit dem scherzhaft und zugleich mit großem Ernst die Essenz jüdischer Feiertage beschrieben wird: "Sie wollten uns töten. Wir haben überlebt. Lasst uns essen." Franz betont: "Das jüdische Volk hat immer überlebt."
Im Fall von Chanukka ist es so, dass das Fest an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels 164 vor Christus in Jerusalem erinnert. Zuvor war er von syrisch-hellenistischen Eroberern entweiht worden. Rund zwei Jahre hatten die Makkabäer gegen die Besatzer gekämpft. Als sie dann den Tempel wieder in Besitz nahmen und die Lichter an der Menora anzünden wollten, fanden sie geweihtes Öl für nur einen Tag vor. Der Überlieferung nach brannten die Lichter jedoch acht Tage.
Essen spielt eine wichtige Rolle
Franz, der 2013 in Israel einen Fernseh-Kochwettbewerb gewann, der ihn auch international bekannt machte, ist Spezialist fürs Essen. Dieses habe im Judentum einen hohen Stellenwert – selbst in einer Zeit wie dieser, in der Familien Tote zu beklagen, Entführte in ihren Reihen oder Söhne und Ehemänner im Kriegseinsatz haben.
Zwar gehe gerade niemand in Restaurants, um sich bei einem Dinner verwöhnen zu lassen, betont Franz. Aber nach der Lähmung der ersten Woche nach dem 7. Oktober bereiteten Familien vor allem für Schabbat besonders schöne Speisen zu. Das sei eine Form von Gottesdienst. An manchen Tischen stehe ein zusätzlicher, unbenutzter Stuhl, sagt Franz. Wohl auch an dem Schabbat während Chanukka. Um an die zu erinnern, die nicht dabei sein können.