Diese gelte nicht nur wegen des enormen Zerstörungspotenzials moderner Waffen, sondern auch, weil der rechtliche Rahmen nachlasse, der ihrem Einsatz Grenzen setzen sollte, so der Chefdiplomat des Papstes in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Verlagsgruppe Bistumspresse. Auch gehe Krieg inzwischen über den militärischen Aspekt hinaus.
"Gerechten Krieg" neu bedenken
Wegen der komplexeren militärischen wie politischen Umstände dürfe heutiger Waffeneinsatz nicht so betrachtet werden wie zu Zeiten konventionellerer Waffen. Deswegen müsse auch das Konzept eines "gerechten Krieges" neu bedacht werden. "Es bleibt aber dabei, dass die Bedeutung von 'Verteidigung' nicht 'Aggression' ist, sondern 'Schutz', 'Abwehr von Angriffen'", so Parolin. Es sei eine Sache, "sich gegen das Böse zu verteidigen, aber eine andere, sich von seiner Logik vereinnahmen zu lassen".

Der Heilige Stuhl als Völkerrechtssubjekt betreibe eine "Diplomatie der Hoffnung". Der Papst und seine Diplomaten könnten nur mit Worten überzeugen. Die dabei oft erlebte Ohnmacht sei "kein angenehmes Gefühl". Die Unmöglichkeit, Krieg und Leid ein Ende zu setzen, mache "zutiefst traurig". Beim Ukrainekrieg hofft Parolin, dass beide Länder über Verhandlungen zu einem gerechten und dauerhaften Frieden finden.
"Gemetzel in Gaza stürzt Völkerrecht in ernste Krise"
Gleichzeitig verteidigte Parolin als Nummer Zwei des Vatikans Papst Franziskus, der mehrfach für Äußerungen zum Ukraine-Krieg kritisiert wurde. Dessen größte Sorge bleibe die Suche nach einem Ausweg, welcher der "gemarterten Ukraine" weiteres Leid erspare, so Parolin.
Hinsichtlich des Gaza-Kriegs bekräftigte der Kardinal die vatikanische Position, "dass keine andere als die Zwei-Staaten- Lösung möglich sein wird, ein israelischer Staat und ein palästinensischer Staat mit einem international garantierten Sonderstatus für Jerusalem". Der Papst habe den Terrorangriff der Hamas klar verurteilt. Das "Gemetzel und die totale Zerstörung, die in Gaza erfolgt sind", hätten aber zu einer Situation geführt, die "das humanitäre Völkerrecht in eine ernste Krise gestürzt und viele schwerwiegende Fragen für beide Seiten aufgeworfen hat".