Auch für die Kriegsopfer in der Ukraine, die Opfer des Klimawandels sowie für die verfolgten Frauen im Iran wurde gebetet. Die Gottesdienste des Karfreitags, die bundesweit zur vermuteten Todesstunde Jesu um 15 Uhr stattfanden, haben einige Besonderheiten, die es so nur einmal im Jahr gibt. Die Glocken in den Kirchen schweigen, der Tabernakel, in dem die geweihten Hostien aufbewahrt werden, ist leer, ebenso der Altar.
Auch in großen Städten wie München und Berlin zogen Kreuzwegprozessionen mit mehreren hundert Teilnehmern durch die Innenstädte. Vielfach luden beide großen Kirchen gemeinsam ein. In Berlin schulterten der katholische Erzbischof Heiner Koch, der evangelische Landesbischof Christian Stäblein und der griechisch-orthodoxe Bischof Emanuel von Christopoulis ein übergroßes Kreuz. Erstmals trugen auch Vertreter der Klimaschutzorganisation "Last Generation" das Kreuz und sprachen ein Gebet.
Aushalten von Stille
In Lübeck beteiligten sich rund 600 Menschen an dem Kreuzweg, der als der älteste seiner Art in Deutschland gilt. In Essen beteten Christen den Kreuzweg auf der Halde Haniel, einem aus Abraum des Steinkohle-Bergbaus entstandenen Berg. Dort gibt es seit 1995 einen rund 1.200 Meter langen Stationengang, der die enge Verbundenheit zwischen Kirche und Bergbau verdeutlichen soll. Auf 15 Kupfertafeln ist die Geschichte von Leiden und Tod Jesu mit Elementen der Bergbauwelt dargestellt.
In seiner Predigt warb der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, für das Aushalten von Stille. Das sei wichtig in einer Welt, in der die Menschen durch Lärm, Reden und Werbung bedrängt würden, denen man sich nur schwer entziehen könne.
Blick auf die Ukraine
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx erklärte, in der Ukraine finde "durch den Angriffskrieg in der Verantwortung von Präsident Putin ein furchtbarer Kreuzweg statt". Die Verteidigung gegen einen Angreifer sei gerechtfertigt und deswegen auch die Unterstützung derer, die angegriffen werden. Dennoch darf laut dem Kardinal "nicht hingenommen werden, dass sich ein Krieg über Jahre hinzieht, ohne dass auch nur sichtbar wird, wie das enden soll". Die Rhetorik von Sieg und Niederlage führe in eine falsche Richtung.
Auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck erinnerte an das Leid der Menschen in der Ukraine. "Die Ströme von Blut, die fließen, und das Leid so unsäglich vieler gemarterter Menschen, schreien zum Himmel", betonte er. Wo die Menschenwürde mit Füßen getreten werde, brauche es neben Achtsamkeit und Nächstenliebe auch eine "widerständige Menschlichkeit", so Overbeck.
Gehört der Karfreitag noch zu Deutschland?
Mit der Sperrigkeit des Karfreitags befasste sich der Speyerer Weihbischof Otto Georgens. Er warf die Frage auf, ob der Karfreitag zu Deutschland gehöre. "Die meisten würden ihn wahrscheinlich gerne abschaffen oder austauschen gegen etwas Netteres." Viele hätten für das Tanzverbot am Karfreitag kein Verständnis mehr.
"Gehört das wirklich noch zu Deutschland, dass das Gesetz vorschreibt, dass wegen Jesu Sterben am Kreuz - zu dessen Gedenken bestenfalls zehn Prozent der Bevölkerung in die Kirche kommen - das ganze Volk nicht tanzen und nicht ausgelassen feiern darf?" Das Kreuz künde von der Grausamkeit, zu der Menschen fähig seien. Der Karfreitag kehre nichts unter den Teppich.