domradio.de: Wie sieht die Gegend heute aus?
Berthold Pelster (Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei KIRCHE IN NOT / ACN Deutschland): Es ist immer noch ein erschreckendes Bild. Die Häuser sind zum größten Teil verlassen. Viele davon sind zerstört. Man sieht große Löcher, die in den Mauern klaffen, zerstörte Fensterscheiben, kaputte Dächer. Manche Häuser sind komplett in sich zusammengebrochen, weil sie bombardiert worden sind.
Aber es gibt Hoffnungszeichen, weil die ersten Häuser wieder repariert werden. Es ist ja so, dass die Ninive-Ebene inzwischen vom IS befreit worden ist - auch Mossul ist vom IS befreit. So herrscht mehr oder weniger Sicherheit und die Christen können zurückkehren.
domradio.de: Kirche in Not unterstützt den Wiederaufbau der Dörfer. Was konnte wiederhergestellt werden und was ist für immer verloren gegangen?
Pelster: Unter der Leitung von Kirche in Not ist im Frühjahr ein sogenanntes Wiederaufbau-Komitee gegründet worden. Darin sind auch Vertreter der chaldäisch-katholischen Kirche, der syrisch-katholischen Kirche und von der syrisch-orthodoxen Kirche. Es ist also eine ökumenische Initiative.
domradio.de: Was macht die Initiative?
Pelster: Das Komitee hat eine Bestandsaufnahme gemacht. Sie sind in sämtliche Dörfer gereist und haben sich vor Ort ein genaues Bild gemacht. 13.000 Häuser sind mehr oder weniger stark zerstört. Das alles wieder aufzubauen, würde rund 250 Millionen US-Dollar kosten – also eine riesige Summe. Dafür sammeln wir momentan Geld.
domradio.de: Wie viele Christen sind denn zurückgekehrt?
Pelster: Rund 600 christliche Familien sind so mutig und wollen die Dörfer wieder aufbauen. Das finde ich ganz beeindruckend. 350 Häuser konnten schon wieder errichtet werden. Manche Häuser sind nur teilweise beschädigt, dass man durchaus darin wohnen kann. Momentan sind die Temperaturen ja auch recht hoch, da ist das ein oder andere Loch nicht schlimm. In wenigen Monaten kommt der Winter und der kann sehr kalt werden.
domradio.de: Mossul liegt in direkter Nachbarschaft der Ninive-Ebene. Die Stadt wurde vor einigen Wochen vom IS befreit. Ihr Hilfswerk hat erst vor kurzem mit dem ehemaligen Erzbischof von Mossul über die Befreiung seiner früheren Bischofsstadt gesprochen. Was hat Erzbischof Nona erzählt?
Pelster: Er hat gesagt, dass der militärische Kampf so gut wie beendet sei. Der IS sei vertrieben. Aber es stehe noch ein geistiger Kampf an, denn die Ideologie sei noch sehr weit verbreitet und stecke noch in vielen Köpfen. Ganze Gesellschaften seien infiziert von dem Gedankengut. Gerade Mossul war immer eine Hochburg für die Ideologie. Deswegen konnte der IS dort so gut Fuß fassen. Dieses Gedankengut muss man beseitigen. Das ist eine Aufgabe von noch vielen Jahren – vielleicht eine Aufgabe für viele Generationen.
domradio.de: Sagt der Erzbischof etwas zu den Christen, die zurückkommen?
Pelster: Er hat gesagt, dass es viel leichter ist, in die Ninive-Ebene zu gehen, dort wo eben viele Dörfer hauptsächlich von Christen bewohnt waren. Mossul dagegen ist ein ganz anderer Fall. Die Stadt ist eben infiziert von dem radikalen Gedankengut des IS. Daher werden die Christen wahrscheinlich eher in die Ninive-Ebene zurückkehren und nicht nach Mossul.
Das Interview führte Silvia Ochlast.