Überschattet vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, feiern orthodoxe und griechisch-katholische Christen in beiden Ländern an diesem Samstag Weihnachten. Trotz einer von Moskau einseitig angekündigten Waffenruhe beschoss Russland nach Angaben des Generalstabs in Kiew von Samstagmorgen die Ukraine in den vergangenen 24 Stunden erneut mit mehr als 20 Raketen. In ihren Weihnachtsgottesdiensten machten Kirchenoberhäupter dem jeweils anderen Land schwere Vorwürfe.
Kampf um die orthodoxe Kirche in der Ukraine
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. kritisierte, Kiew wolle die orthodoxe Kirche in der Ukraine zerstören, die bis zu ihrer Loslösung im Mai dem Moskauer Patriarchat unterstand. Der 76-Jährige rief in Moskau zu Gebeten "für unsere Geschwister in der Ukraine" auf, "die heute aus dem Kiewer Höhlenkloster vertrieben werden, das jahrhundertelang die Hüterin des wahren, unverfälschten orthodoxen Christentums war".
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits zu Beginn des Krieges im Februar von einer Verfolgung der Kirche gesprochen und unter anderem damit seine damalige Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten begründet.
Die ukrainische Regierung hatte der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) zum Jahreswechsel ihre Hauptkathedrale in dem weltbekannten Kloster entzogen. Sie gehört dem Staat. Einen großen Teil der Klosteranlage, die sogenannte Untere Lawra mit mehreren Sakralbauten und dem rund 600 Meter langen Höhlenlabyrinth, behält sie allerdings.
Historische Weihnachtsmesse
In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) und beschuldigt wiederum Geistliche der UOK der Kollaboration mit Russland.
Das Oberhaupt der OKU, Metropolit Epiphanius, feierte am Samstag erstmals einen Gottesdienst in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale, der Hauptkirche des Klosters. Er nannte die dortige Weihnachtsmesse ein "historisches Ereignis". Laut dem Kulturministerium erhielt die Kirche bisher nur die Erlaubnis für diesen Gottesdienst. Einen Pachtvertrag mit der OKU gibt es demnach bislang nicht.
Glaube an den Sieg
Die UOK hält den Entzug ihrer Kathedrale für illegal. Sie erklärte, gemäß eines Beschlusses der Regierung gälten während des Kriegsrechts endende Pachtverträge für staatliches und kommunales Eigentum eigentlich bis vier Monate nach Ende des Kriegsrechts fort. Das Kulturministerium bestand aber auf der Rückgabe der Kirche, weil der Pachtvertrag über das Heiligtum am 31. Dezember geendet habe.
Epiphanius betonte, "trotz des Krieges und der schrecklichen Prüfungen für das ukrainische Volk feiern wir Weihnachten und glauben an den Sieg des Guten über das Böse". Die Ukraine werde gewinnen. Den russischen Angriffskrieg gegen sein Land verurteilte er.
Putin feiert Messe
Russlands Präsident Wladimir Putin besuchte in der Nacht zum Samstag ganz allein einen Weihnachtsgottesdienst in der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale im Moskauer Kreml. Das russische Fernsehen schaltete während Kyrills Messe in dessen Hauptheiligtum, der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau, länger in die Kremlkirche. Es zeigte auch, wie sich Putin bekreuzigte.
Kyrill I. äußerte in seiner Weihnachtsbotschaft auch Kriegssorgen. "Wir können nicht umhin, uns Sorgen über die heutigen Kriegsereignisse zu machen, die die heilige Weihnachtsfeier überschatten", schrieb er. Dennoch stellte der Patriarch den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine nicht in Frage. Stattdessen rief er zur "Treue zu unserer christlichen Berufung" auf.
Teilweise vorverlegt auf den 25. Dezember
Weihnachten feiern russisch-orthodoxe Christen am 6. und 7. Januar, ebenso die Mehrheit der orthodoxen Ukrainer. Aus Protest gegen Russlands Angriffskrieg gegen ihr Land verlegten allerdings eine Reihe von Gemeinden der neuen eigenständigen OKU ihre Weihnachtsmessen auf den 25. Dezember vor. Ihre Kirchenleitung hatte dies offiziell erlaubt.
Auch die meisten orthodoxen Landeskirchen richten sich beim Geburtsfest Christi nicht mehr nach dem alten Julianischen Kalender, sondern feiern wie das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel Weihnachten am 25. Dezember.