DOMRADIO.DE: Das Lied "Layla" steht nicht nur auf Platz eins der Charts, sondern gleichzeitig auch auf Platz zwei mit einem Remix. Das kommt nicht oft vor, dass ein einziges Lied doppelt die Spitze ziert. Auch Sie sind angesichts dieser Entwicklung ein bisschen fassungslos. Warum denn?
René Böckle (DJ Faith): Ich finde es total spannend, dass ein Song so dermaßen erfolgreich ist, der so einen flachen Inhalt hat, der so wenig Aussagekraft hat und der Gewerbe anpreist, über das man tatsächlich reden muss, weil es da auch ganz viel Missverständnisse gibt.
Dieser Erfolg verwundert mich doch sehr. Es überrascht mich, dass wir in unserer Gesellschaft anscheinend nichts Anspruchsvolleres brauchen, wollen, können. Ich weiß es selbst nicht so ganz genau.
DOMRADIO.DE: Was kritisieren Sie denn an dem Lied?
Böckle: Zum einen verharmlost es absolut das Thema Sexarbeit, Prostitution. Ein Thema, das bekannterweise mit ganz viel Gewalt, Menschenhandel und Unwissenheit der Gesellschaft zu tun hat.
Zum anderen bin ich um eine Gleichberechtigung von Personen, Mann, Frau, Divers bemüht. In dem Song wird eine Frau total sexualisiert. Das passt nicht zu dem, was wir eigentlich gerade in der Gesellschaft anstreben. Es ist eine absolute Gegenbewegung zu dem, was wir uns wünschen.
Den Menschen, die da mitsingen, möchte ich ja nichts Böses. Ich glaube, an vielen Stellen ist es einfach Unbedachtheit. Natürlich lässt man sich in dem Moment auch mitreißen. Aber ich finde schon, dass wir darüber reden müssen.
DOMRADIO.DE: Sehr viele Menschen scheinen es ganz toll zu finden. Was sagt uns das über die Gesellschaft?
Böckle: Das verleitet natürlich dazu, ganz schnell über eine Gesellschaft zu urteilen. Das habe ich ja auch gerade schon gemacht. Wie schon gesagt, ich glaube, es ist tatsächlich an vielen Stellen einfach Unbedachtheit. Ein Song, der mal wieder mitreißt, es ist ein Party-Song, ein simpler Text mit einfachen Melodien, bei dem man gerne mitsingt. Da wird vielleicht auch gar nicht über den Text nachgedacht.
Ich glaube aber tatsächlich schon, dass es zu wenig Reflektion bei den Themen Sexismus und Prostitution gibt. Das nervt mich bei diesem Thema auch gerade. Ich beobachte in den Sozialen Medien die Diskussionen und auf welchem Niveau diese Diskussionen geführt werden.
Da gibt es keinen guten Diskurs, sondern es gibt nur ein Für oder Wider. Entweder ich bin dafür, dass ich das Lied gröle und setze mich auch darüber hinweg, wenn sich Veranstaltende dazu entscheiden, dass es nicht mehr gespielt wird. Oder ich bin halt irgendwie der Böse, der das verbietet. Dann bin ich aber sofort der Spießer. Es wird aber gar nicht gefragt, warum ich das Lied nicht spiele.
Ich habe das auch schon bei Veranstaltungen, auf denen ich aufgelegt habe, erlebt, wo Sprechchöre vor der Bühne den Song verlangt haben. Ich habe mich geweigert und habe es aber auch erklärt, warum ich es nicht spielen möchte.
DOMRADIO.DE: Es gibt da also eine Verantwortung der DJs?
Böckle: Ich stehe als DJ eben auch dafür, dass ich die Texte der Songs, die ich spiele, vorher anschaue. Ich überprüfe die Inhalte. Es gelingt mir nicht immer 10o prozentig, aber ich versuche auch bei den Künstlerinnen und Künstlern zu schauen, ob die einen einigermaßen guten Background haben oder ob sie für Sexismus stehen.
Die Musik der Querdenker spiele ich dann eben auch nicht. Das passt nicht zu meinem Weltbild. Ich als Künstler, der auf der Bühne steht und deren Musik spielt, stehe dann schon auch ein bisschen für die Inhalte. Ich gebe sie ja wieder.
Deshalb versuche ich einfach andere Songs zu nehmen, die genauso viel Stimmung machen können. Das ist ja jetzt nicht der erste Song oder der letzte Song, den es auf der Welt gibt. Es gibt ganz viele andere Songs, die genauso funktionieren. Von daher sage ich als Künstler und auch als Privatperson: Ich kann auf solche Songs verzichten und muss sie auch nicht spielen.
Das Interview führte Florian Helbig.