Bischöfe verschärfen Regeln zur Aufarbeitung

Chronik des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche

​Die katholischen Bischöfe Deutschlands haben am Montag überarbeitete Regelwerke zum bundesweit einheitlichen Umgang mit sexuellem Missbrauch veröffentlicht. Eine Chronik im Umgang mit dem Missbrauchsskandal in der Bundesrepublik:

Personalakten im Diözesanarchiv in Fulda / © Harald Oppitz (KNA)
Personalakten im Diözesanarchiv in Fulda / © Harald Oppitz ( KNA )

Januar 2010: Der Leiter des Canisius-Kollegs der Jesuiten in Berlin, Pater Klaus Mertes, macht durch einen Brief an ehemalige Schüler den Missbrauchsskandal an seiner Schule bekannt. Jesuiten hätten in den 1970er und 80er Jahren Schüler sexuell missbraucht. Er löst damit eine Welle von Enthüllungen zu Missbrauchsfällen in der Kirche, aber auch in Schulen und anderen Institutionen aus.

Februar 2010: Die Bischöfe bitten auf ihrer Vollversammlung in Freiburg um Entschuldigung wegen der Missbrauchsfälle. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wird Sonderbeauftragter für das Thema. Eine Hotline für Opfer wird eingerichtet.

März 2010: Die Kirche beteiligt sich am Runden Tisch, der von der Bundesregierung eingerichtet wird.

August 2010: Die Bischöfe verschärfen ihre "Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch". Glaubhaft verdächtigte Geistliche müssen nun umgehend vom Dienst suspendiert werden.

September 2010: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, schlägt einen "breiten Reflexionsprozess" von Bischöfen, Priestern und Laien vor. Damit will die Kirche Vertrauen wiedergewinnen. Die Bischöfe stellen ein Präventionskonzept vor. Unter anderem soll jedes Bistum eine entsprechende Stelle einrichten. Gegründet wird auch ein "Präventionsfonds" für besonders innovative kirchliche Projekte. Die Bischofskonferenz legt am Runden Tisch ein Konzept zur Entschädigung der Opfer sexuellen Missbrauchs vor. Dazu gehört die Zahlung eines Geldbetrags, der als "finanzielle Anerkennung" des zugefügten Leids gelten soll.

Juli 2011: Die Bischöfe kündigen zwei Forschungsprojekte zur wissenschaftlichen Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Kirche an.

Dezember 2012: Die Ergebnisse des ersten Forschungsprojekts werden vorgestellt. Der Forensiker Norbert Leygraf kommt darin unter anderem zu dem Schluss, dass nur wenige katholische Priester, die Minderjährige missbraucht haben, im klinischen Sinne pädophil seien.

August 2013: Die Bischofskonferenz veröffentlicht abermals verschärfte Richtlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch. Danach sollen Kleriker, die Schutzbefohlene missbraucht haben, nicht mehr in den Seelsorgedienst zurückkehren dürfen, wenn "dieser Dienst eine Gefahr für Minderjährige oder erwachsene Schutzbefohlene darstellt oder ein Ärgernis hervorruft". Ein komplettes Beschäftigungsverbot für sexuell übergriffig gewordene Priester nach dem Beispiel der US-Bischöfe lehnt die Bischofskonferenz ab.

März 2014: Die Bischöfe beauftragen einen Forschungsverbund um den Mannheimer Psychiater Harald Dreßing mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung. Ziele sind eine Erhebung quantitativer Daten zur Häufigkeit und zum Umgang mit sexuellen Missbrauchshandlungen an Minderjährigen durch Geistliche. Darüber hinaus sollen Täterstrategien, Opfererleben und das Verhalten der Verantwortlichen untersucht werden.

2016: Eine erste Teilstudie wird vorgestellt. Diese hatte Missbrauchsuntersuchungen aus anderen Ländern in den Blick genommen. Danach waren die Täter in erster Linie Gemeindepfarrer und andere Priester (über 80 Prozent). Bei rund einem Drittel wurden eine emotionale oder sexuelle Unreife festgestellt, bei jedem fünften eine Persönlichkeitsstörung und bei 17,7 Prozent Merkmale von Pädophilie. Alkoholabhängig waren 13,1 Prozent der Täter.

September 2018: Bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe stellen beteiligte Wissenschaftler die Ergebnisse der von den Bischöfen in Auftrag gegebenen Missbrauchsstudie vor. Demnach haben die Forscher 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Priestern und Ordensleuten in den Akten von 1946 bis 2014 gefunden. Die Bischöfe beschließen einen Sieben-Punkte-Plan, in dem sie sich unter anderem verpflichten, Betroffene des Missbrauchs und externe unabhängige Fachleute stärker in die Aufarbeitung einzubeziehen. Sie wollen auch klären, wer über die Täter hinaus institutionell Verantwortung getragen hat, etwa für Vertuschung oder die Versetzung von Tätern. 

März 2019: Nach intensivem Ringen beschließen die deutschen Bischöfe einen «verbindlichen Synodalen Weg», um nach dem Missbrauchsskandal Vertrauen zurückzugewinnen und nach den systemischen Ursachen des Missbrauchs zu fragen.

September 2019: Die Bischöfe beschließen in Fulda, die Entschädigung von Opfern neu zu regeln und deutlich auszuweiten. Über die Höhe der Entschädigung und die Frage, ob das Geld aus Kirchensteuern bezahlt werden soll, kommt es zu einer heftigen Debatte. Eine von der Bischofskonferenz Arbeitsgruppe hatte Entschädigungen von bis zu 400.000 Euro empfohlen.

September 2019: Das Institut für Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt (IPA) in Lantershofen nimmt seine Arbeit auf. Als "think tank" soll das kirchliche Institut Akteure im Kampf gegen Missbrauch vernetzen, bisherige Maßnahmen auf den Prüfstand stellen und nach neuen Ideen etwa im Bereich der Fortbildung Ausschau halten.

November 2019: Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, und der Trierer Bischof Stephan Ackermann einigen sich auf Eckpunkte zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. Demnach soll die Aufarbeitung in den katholischen Bistümern transparent und nach einheitlichen Kriterien erfolgen. Auch sollen unabhängige Experten an dem Prozess teilnehmen.

Dezember 2019: Spitzenvertreter aus Politik und Zivilgesellschaft nehmen an der Auftaktsitzung eines Nationalen Rates zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch teil. Er soll die Strukturen für Schutz, Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche dauerhaft sichern.


Quelle:
KNA