DOMRADIO.DE: Rita, Ihre Romanheldin, wird Priesterin. Warum ist ihr das so wichtig? Sie weiß doch, dass das eigentlich in der katholischen Kirche unmöglich ist.
Claudia Endrich (Autorin): Es wird Rita sehr bewußt, dass sie sich dazu berufen fühlt. Das erfährt sie Im Laufe ihrer Biografie in dem Roman. Und sie sieht in keinem Bereich der Gesellschaft einen Grund, weshalb Frauen etwas nicht dürfen, was Männer dürfen. Und in der katholischen Kirche ist das nun mal sehr, sehr sichtbar, dieser Unterschied.
DOMRADIO.DE: Aber es gibt ja auch Argumente der katholischen Amtskirche, die sich darauf berufen, dass Jesus ein Mann sei, er habe ganz bewußt nur Jünger, nur männliche Apostel berufen. Und die Priester stehen eben in der Nachfolge dieser Apostel und müssen deshalb Männer sein. Wie geht Rita mit den Argumenten der Amtskirche um?
Endrich: Man muss vielleicht dazu sagen, dass sie da auf einem sehr unkonventionellen Weg ins Theologiestudium findet. Ihre Sozialisierung ist nicht eine klassisch katholische, und daher betrachtet sie ganz vieles, was sie im Studium lernt, auf vielleicht individuellere Weise, als es andere tun. Sie merkt, dass ihr Gottesbild und auch ihr Bild von Jesus ihr ganz klar vermitteln, dass es hier de facto keinen Unterschied gibt. Und dadurch sieht sie sich in ganz vielen Entscheidungen, die sie auf ihrem Weg trifft, die sich nicht mit der Amtskirche vereinbaren lassen, trotzdem bestärkt.
DOMRADIO.DE: Nun könnte sie ja auch einfach Pastorin werden in der evangelischen Kirche. Warum macht sie das nicht?
ENDRICH: Das ist auch etwas, was ganz viele Frauen natürlich hören, die mit dieser Thematik in der katholischen Kirche zu tun haben. Aber für Rita fühlt sich das nicht richtig an.
Denn sie fühlt sich im katholischen Glauben zu Hause und sieht auch einfach ganz klar den Bedarf an Priesterinnen in der katholischen Kirche. Sie sieht einen Sinn darin, hier auch neue Wege zu beschreiten, sie sieht sich auch in einer sehr christlichen Tradition, wenn sie sich gegen das System auflehnt.
DOMRADIO.DE: Wie gelingt es denn Rita, Priesterin zu werden? Sie schreiben da auch von Sondergenehmigung aus dem Vatikan. Und das ist schon ein bisschen verwegen und ausgedacht und wenig realistisch.
ENDRICH: In einem Roman ist das erlaubt. Und deshalb habe ich auch diese Form gewählt. Ein Roman erlaubt mir, hier Dinge zu konstruieren, die womöglich so nicht funktionieren würden in der Realität. Das ist wahr. Gleichzeitig leben wir auch jetzt schon in Zeiten, in denen Frauen in der katholischen Kirche definitiv ganz viel tun, was vielleicht von oberen Ämtern als nicht in Ordnung gesehen würde oder sogar geahndet werden würde. Aber was de facto akzeptiert wird, was sie einfach machen.
DOMRADIO.DE: "Einfach machen, niemand hat je Post aus Rom bekommen". Sie zitieren ganz am Ende Ihres Buchs die katholische Schwester Philippa Rath. Ist das eine mögliche Handlungsanweisung, um die Emanzipation in der Kirche voranzubringen?
ENDRICH: Ja, das ist eine ganz schwierige Frage, finde ich. Weil einerseits: Fakten schaffen ist schon ein guter Weg, den ja auch Rita geht. Gleichzeitig bleibt damit immer etwas ungeschrieben und festgehalten und behält ein Schattendasein, was ich auch wiederum nicht gut finde und was ja auch ein Thema ist, das Rita dann sehr stark beschäftigt, so dass sie sagt, ich habe mir in meiner Gemeinde eine Ausnahmesituation geschaffen.
Das ändert aber nichts an der Gesamtsituation und wenn dann nur in einem kleinen Kreis. Ich glaube, es ist ein wichtiger erster Schritt, weil ganz vieles dadurch möglich wird und dann Gemeinden auch sehen, wie toll die Arbeit ist, die Frauen als Priesterinnen leisten könnten und können. Und gleichzeitig glaube ich, dass es die offiziellen Signale genauso braucht und die offiziellen Entscheidungen.
DOMRADIO.DE: "Was ist das, was diesen alten Männern Angst macht vor uns Frauen?" fragt Rita in ihrem Roman. Gibt es auf die Frage eine Antwort?
Endrich: Ich glaube, wenn es um feministische Fragen geht, wenn es um Unterdrückung von Frauen und ihren Rechten geht, dass es dann ganz oft in Wahrheit darum geht, dass ein Teil der Gesellschaft, der in der mächtigeren Position ist, Angst hat davor, Privilegien zu verlieren, Entscheidungsmacht zu verlieren. Und das ist schlicht und einfach nicht gerecht.
DOMRADIO.DE: Was Ihre Geschichte über Rita allerdings nicht so berücksichtigt, ist die kirchenpolitische Weltlage. Die Weihe von Frauen zu Priesterinnen würde zurzeit eine Spaltung der großen einheitlichen Weltkirche zur Folge haben. Muss man das nicht immer mitdenken?
ENDRICH: Diese Begründung wird ganz oft als gegeben hingestellt, dass es das tun würde. Ich persönlich glaube das nicht. Ich glaube, dass hier angenommen wird, dass Teile der Weltkirche das kategorisch ausschließen und diese Spaltung vollziehen würden. Ich glaube, dass hier viel mehr Offenheit tatsächlich möglich wäre oder ein aufeinander zugehen, dass auch viel mehr möglich wäre, wenn man es denn einfach mal versuchen würde.
DOMRADIO.DE: In Ihrem Roman kommen natürlich auch Priester vor. Da ist Michael, auch ein Priester. Von dem heißt es, er will kein Priester mehr sein, solange Frauen dieses Amt nicht innehaben dürfen. Ist diese Solidarität der männlichen Priester dem wirklichen Leben abgeschaut?
Endrich: Es gibt sie, diese Priester, was ich sehr stark und wichtig finde. Es gibt sie, glaube ich, noch zu wenig, die dieses sichtbar machen. Das ist ein allgemeines Problem, meiner Meinung nach, der feministischen Kämpfe in allen Bereichen. Wir brauchen die Solidarität der Männer. Wir brauchen Männer und in dem Fall Priester, die sehen, dass es auch in ihrem Interesse wäre, dass es ihrem Bild einer weltoffenen, wahrhaftig christlichen Kirche entspricht, dass sie dann auch lautstark einfordern, dass hier Gleichheit geschaffen wird.
DOMRADIO.DE: Rita weigert sich in ihrem Wirken für die katholische Kirche unsichtbar zu sein. Ist Ihr Roman auch ein Roman für Frauen, die eine Veränderung in der Kirche anstreben?
Endrich: Ja, definitiv. Was Frauen tun, die in der Kirche tätig sind, egal ob als Pastoralassistentin, Leiterin von Wortgottesdiensten, egal ob ehren- oder hauptamtlich, ich möchte diesen Frauen zurufen: zeigt, wie wichtig ihr in diesem System seid. Ohne euch würde es gar nicht funktionieren. Wenn ihr nicht mehr mitmacht, dann ändert sich viel schneller etwas.
Das Interview führt Johannes Schröer.
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