"Ich denke, es hat damit zu tun, dass man seit Jahrzehnten immer wieder dieselbe Musik im Radio und im Supermarkt vorgespielt bekommt: ein paar wenige Lieder aus den 80er und 90er Jahren."

Mariah Careys "All I Want For Christmas Is You" sei beispielsweise von 1994 – und seit Erscheinen in der Weihnachtszeit jedes Jahr auf Platz 1 der US-Billboard-Charts. "Das ist ja ein Indikator dafür, wie häufig ein Lied gespielt wird", so Winklmann. "Da finde ich es nachvollziehbar, dass manche Leute im Advent 'Whamageddon' oder 'Mariahpocalypse' spielen. Es gewinnt, wer es schafft, die größtenWeihnachtshits nicht zu hören – ein unmögliches Unterfangen."
Laute Minderheit
Der Fachmann ergänzte, dass diese Lieder es immer wieder in die Charts schafften, zeige zugleich, dass viele Leute diese Musik gerne hörten. Darauf wiesen inzwischen auch Streamingdaten hin. "Die Leute, die sich über 'Last Christmas' und so weiter aufregen, sind eine laute Minderheit."
Winklmann ist Herausgeber des neuen Buches "Last Christmas – Weihnachten in der Popmusik". Er arbeitet als Referent für Programmentwicklung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Ohne Christkind
Der Experte fügte hinzu, in den meisten Weihnachtspopliedern spiele die Geburt Jesu keine Rolle. Zur Begründung sagte er: "Vielleicht wird der religiöse Hintergrund einfach vorausgesetzt. Insbesondere früher dürfte das gegolten haben. Außerdem sollen Weihnachtspoplieder sich natürlich verkaufen und deshalb möglichst viele Menschen ansprechen, nicht nur Christen."
Hinzu komme, dass Popkultur an die Umstände anknüpfe, unter denen viele Menschen lebten – "und viele Menschen feiern Weihnachten seit jeher nicht nur als religiöses Fest, sondern vor allem als Fest der Familie". Das ist Winklmann zufolge historisch durchaus passend: "Die frühe Kirche hat Weihnachten nicht zelebriert, das Fest entstand später durch Integration saisonaler Feiern wie der Wintersonnenwende."