Bischöfe werben an Pfingsten trotz Corona für Zuversicht

Das Alte verarbeiten und Gutes entstehen lassen

Zum Pfingstfest rufen die deutschen Bischöfe zu Zuversicht auf und zeigen sich zugleich nachdenklich. Die Pandemie habe der Gesellschaft Grenzen aufgezeigt. Nun gelte es, Leid, Trauer und Angst zu verarbeiten und Gutes entstehen zu lassen.

Kreuz im Licht / © Romolo Tavani (shutterstock)

Die Corona-Krise sei deshalb so bedrohlich, "weil das Selbstverständlichste der Welt betroffen ist, nämlich das Atmen", schreibt der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, in einem Gastbeitrag für den "Mannheimer Morgen". Atmen schaffe Freiheit, gebe Energie und Mut. Dessen solle man sich bewusst werden und dafür danken.

"Atem Gottes" sei nicht zufällig eine der ältesten Metaphern für den Heiligen Geist. Er sei "die göttliche Lebenskraft, die alles erfüllt und verbindet", so der Limburger Bischof. "Nie zuvor ist mir die Metapher vom Atem Gottes für den Heiligen Geist so nah, so tröstlich gewesen wie jetzt in der Pandemie", schreibt Bätzing. "Und noch nie hat es mich innerlich so gedrängt, zu beten und zu flehen, der Atem Gottes möge kommen und unsere Welt und jeden Menschen erfassen."

Kardinal Woelki fordert Vertiefung des Glaubens gegen Kirchenkrise

Zur Überwindung der Krise in der katholischen Kirche rät der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zu einer Vertiefung des Glaubens. "Wenn wir, liebe Schwestern und Brüder, aus der kirchlichen Krise herauskommen wollen, müssen wir mit unserer persönlichen Bekehrung zu Christus anfangen", predigte der Erzbischof am Pfingstsonntag im Kölner Dom. "Wir werden Kirche nur durch unsere persönliche Liebe zum Herrn. Nur in ihm finden wir auch zueinander."

In der Kirche gebe es - wie in der gesamten Gesellschaft - Risse und Uneinigkeit. Woelki nannte in diesem Zusammenhang die Missbrauchsaufarbeitung, kleiner werdende Gemeinden, die schrumpfende Zahl an Seelsorgemitarbeitenden sowie die Fragen nach Macht und der Rolle von Frauen. Die Kirche sei kein geistloser Apparat, sondern eine vom Heiligen Geist belebte Gemeinschaft. "Es scheint ein klares Gesetz zu sein: Wo das innere Geheimnis Jesu verblasst, wird die Kirche geistlos", mahnte Woelki. "Wo die Freude an Christus abnimmt, nimmt der Streit über seine Sache zu."

Nur wenn sich die Menschen vom Glauben packen ließen, "können wir die Unterstellungen und Behauptungen, die Lieb- und Respektlosigkeiten der vergangenen Wochen und Monate einander vergeben", so der Erzbischof weiter. Wenn Jesus wieder eine zentrale Rolle einnehme, würden sich viele Auseinandersetzungen als unwichtig herausstellen.

"Dann ist es nämlich gleich, wie groß oder wie klein zukünftig eine Pfarrei sein wird."

Kardinal Marx: Kirche muss eine lernende Institution sein

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat zum Pfingstfest die Bedeutung der Kirche als Werkzeug zur Verkündigung des Evangeliums hervorgehoben. Dazu müsse sie eine lernende Institution sein, sagte Marx am Sonntag. "Sie lernt natürlich aus der Tradition, aus dem Zeugnis der ganzen Geschichte der Getauften, aber sie lernt auch aus der Welt, sie lernt Neues, findet Neues und muss sich neu auf den Weg machen."

Dies sei es, was Papst Franziskus mit synodaler Kirche meine. Bei Reformen in der Kirche gehe es nicht um die Institutionen. Marx sagte, manche Konservative wie Progressive nähmen die Institutionen immer noch zu wichtig. "Die einen denken, wenn wir alles anders machen, eine neue Institution, dann ist die Reform da. Und die anderen meinen, wenn sich irgendetwas verändert, geht alles zugrunde." Dabei müsse es darum gehen, ob die Kirche ihre Sendung erfülle. Diese bestehe darin, allen Menschen die Botschaft Jesu zu verkünden.

Im Miteinander suchen und beten könne die Kirche erkennen: "Das, was wir mitgeschleppt haben aus der Geschichte, was wir mitgenommen haben, ist jetzt hinderlich für das, was notwendig ist." Dann könne auch manches verschwinden. Solche Prozesse seien allerdings schmerzhaft und auch anstrengend.

Schick: Moralischer Kompasst fehlt in der Pandemie

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick beklagte unterdessen, es fehle ein moralischer Kompass in der Pandemie. Als Beispiele verwies er auf Impfdrängler und Maskenaffäre. Auch bei der Verteilung der Impfstoffe weltweit dürften die reichen Länder nicht zu kollektiven Impfdränglern werden und die armen Länder abhängen.

Ein moralischer Kompass sei darüber hinaus auch in Politik und Wirtschaft nötig, wo sich etliche mit Tricksereien bei Geschäften mit Masken und Testmaterialien bereichert hätten, sagte Schick weiter. Der Heilige Geist erinnere an diese Richtschnur, die in dieser Zeit so sehr vermisst werde.

Koch: Leben am Prinzip der Nachhaltigkeit ausrichten

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch mahnte zum Pfingstfest einen nachhaltigen Lebensstil an. "Wenn wir die Schöpfung nicht achten, nicht auf ihre Stimme hören, hören wir nicht auf die Stimme Gottes, davon bin ich überzeugt", schreibt er in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag". Dazu gehöre es, den Lebensstil anzupassen, "damit der Mensch wieder im Einklang mit der Schöpfung und mit sich selbst lebt".

Koch verweist auch auf die Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus. Sie sei "ein Appell an uns, unser Leben und Wirtschaften am Prinzip der Nachhaltigkeit auszurichten". Die Sorge für den Menschen und der Schutz der Ökosysteme seien untrennbar miteinander verbunden. Damit Großes wachsen könne, brauche es im Leben wie im Glauben oft viel Geduld und Ausdauer.

An Pfingsten feierten Christen die Nähe Gottes, betont der Erzbischof: "Zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Situation ist und bleibt Gott uns nahe." In der christlichen Vorstellung sei Gott keine "starre Idee und nur ein letzter Grund, er ist Gemeinschaft, er ist Liebe, die alles und alle leben und aufleben lässt: belebte und unbelebte Natur, jede Kreatur, jeden Menschen, seine unterschiedlichen und so wichtigen Charismen und natürlich seine Kirche." An Pfingsten stehe die "Grundfreude" darüber im Mittelpunkt, "die kein billiger Optimismus ist, sondern eine Hoffnung für das ganze Leben".

Becker: Respektvoller und warmherziger Umgang

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker rief zu einem Geist des "guten und respektvollen Umgangs" miteinander auf. Oft werde der menschliche Geist zum Bösen missbraucht, um andere zu beherrschen, sagte der Paderborner Erzbischof am Sonntag beim Pontifikalamt im Paderborner Dom. "Deswegen bitten wir in diesen Tagen um einen ganz anderen Geist, den Heiligen Geist, der unser Herz verwandelt", sagte der Erzbischof laut Redetext.

Oftmals würden "Geist und Bildung" in öffentlichen Debatten ausschließlich mit dem sachlichen Verstand oder mit der Wissenschaft gleichgesetzt, sagte Becker weiter. Es gebe jedoch noch eine andere, eine ganz einfache menschliche Bildung, nämlich die Fähigkeit, "gut mit Menschen umzugehen, zuzuhören, sich respektvoll einzufühlen und warmherzig zu sein", sagte der Paderborner Erzbischof.

Das Pfingstfest sei auch ein Anlass, über sich selber nachzudenken, ermutigte Becker. Wer sich bewusst mache, welche guten Gedanken in einem wirkten, der könne darum beten, dass Gefühle von Neid, Hass und falschem Ehrgeiz verwandelt und in eine gute Bahn gelenkt würden.

Bedford-Strohm: Pandemie hat der Gesellschaft ihre Grenzen aufgezeigt

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte, die Pandemie habe der Gesellschaft ihre Grenzen aufgezeigt. Die Erfahrung habe das Lebensgefühl der Menschen erschüttert und ihr Weltverständnis infrage gestellt, sagte er am Freitag in Hannover.

"Für mich ist der Pfingstgeist in diesem Jahr kein Geist enthusiastischer religiöser Erfahrungen, sondern ein Geist der Nachdenklichkeit, ein Geist des Trostes und auch ein Geist der Zuversicht", so der bayerische Landesbischof. Eine neue Nachdenklichkeit könne der erste Schritt sein "zu einem guten Leben in den Grenzen, die Gott uns aus Liebe gegeben hat".

Pfingsten gibt Grund zur Hoffnung auf einen neuen Aufbruch

Die baden-württembergischen Bischöfe riefen "nach 16 Monaten Unsicherheit und Angst" gemeinsam dazu auf, "die neue Gegenwart zu gestalten". Es gelte, Leid, Trauer und Angst zu verarbeiten und Gutes entstehen zu lassen, so die beiden evangelischen Landesbischöfe Frank Otfried July aus Württemberg und Jochen Cornelius-Bundschuh aus Baden sowie der katholische Erzbischof Stephan Burger aus Freiburg und Bischof Gebhard Fürst aus Württemberg in einem Wort zu Pfingsten.

Das Fest gebe Grund zur Hoffnung, dass Gott einen neuen Aufbruch schenke, so die Bischöfe. Aufgabe der Christen sei es, diesen solidarisch zu gestalten. Es zeige sich, dass gerade Kinder und Jugendliche langfristig unter den Folgen der Pandemie litten; sie drohten, ins Straucheln zu geraten. Auch Familien brauchten Entlastung.


Bischof Georg Bätzing (Archiv) / © Fabian Strauch (dpa)
Bischof Georg Bätzing (Archiv) / © Fabian Strauch ( dpa )

Eindrücke vom Pontifikalamt am Palmsonntag mit Erzbischof Woelki / © Beatrice Tomasetti (DR)
Eindrücke vom Pontifikalamt am Palmsonntag mit Erzbischof Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Kardinal Reinhard Marx predigt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kardinal Reinhard Marx predigt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Erzbischof Ludwig Schick / © Julia Steinbrecht (KNA)
Erzbischof Ludwig Schick / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Erzbischof Heiner Koch / © Harald Oppitz (KNA)
Erzbischof Heiner Koch / © Harald Oppitz ( KNA )

Erzbischof Hans-Josef Becker (r.) / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Erzbischof Hans-Josef Becker (r.) / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Erzbischof Stephan Burger / © Harald Oppitz (KNA)
Erzbischof Stephan Burger / © Harald Oppitz ( KNA )

Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart / © Julia Steinbrecht (KNA)
Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Rates der EKD / © Ole Spata (dpa)
Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Rates der EKD / © Ole Spata ( dpa )
Quelle:
KNA , epd