Vor 100 Jahren wütete in Tulsa der weiße Mob

Das blutigste Rassenpogrom der USA

Am 30. Mai 1921 war das Greenwood Viertel in Tulsa, Oklahoma), voller Leben. Es war Feiertag in den USA, Memorial Day. Zwei Tage später lag die als Black Wall Street bezeichnete Gegend in Schutt und Asche. Was war passiert?

Autor/in:
Christiane Laudage
Demonstration zu 100 Jahre Tulsa-Massaker / © Sue Ogrocki/AP (dpa)
Demonstration zu 100 Jahre Tulsa-Massaker / © Sue Ogrocki/AP ( dpa )

Am Montag, dem 30. Mai 1921 war Feiertag in den USA, Memorial Day, wenn an die in den Kriegen gefallenen Soldaten gedacht wird. An diesem Tag soll ein junger afroamerikanischer Schuhputzer namens Dick Rowland im Aufzug eine weiße Frau namens Sarah Page belästigt haben. Die Polizei hat ihn am folgenden Tag verhaftet und die örtliche Zeitung "Tulsa Tribune" brachte einen aufrührerischen Artikel über den Vorfall, der in der Gerüchteküche von Tulsa immer weiter aufgeputscht wurde.

Afroamerikanische Bevölkerung als Menschen zweiter Klasse

Nicht vergessen darf man, dass auch nach dem Verbot der Sklaverei 1865 die afroamerikanische Bevölkerung als Menschen zweiter Klasse betrachtet wurde, vor allem im Süden der USA waren sie Opfer einer rassistischen Rechtssprechung und zahlloser Lynchmorde.

Schwarze und Weiße lebten völlig getrennt in ihren eigenen Sphären. Das war auch in der Stadt Tulsa der Fall, wo die schwarze Bevölkerung im Stadtteil Greenwood beheimatet war und zahlreiche Geschäfte betrieb. Greenwood war eine so wohlhabende Gegend, das sie als "Black Wall Street" bezeichnet wurde. Neben Rassismus war auch Neid ein Auslöser des kommenden Massakers.

Sturm auf das schwarze Viertel Greenwood

Als in Tulsa bekannt wurde, dass der junge Mann im Gefängnis saß, sammelte sich eine große Menschenmenge vor dem Gebäude. Die schwarze Bevölkerung hatte Sorge, es käme zur Lynchjustiz, wie es damals häufig der Fall war, wenn ein schwarzer Mann angeklagt war, eine weiße Frau belästigt oder vergewaltigt zu haben. Nachdem ein Schuss fiel, kam es zu Handgreiflichkeiten, die dann zu einem Sturm des weißen Mobs auf das schwarze Viertel Greenwood ausartete.

In der Nacht zum 1. Juni wurde das Viertel komplett zerstört. Kirchen, Schulen, Geschäfte, ein Krankenhaus und eine Bibliothek wurden dem Boden gleich gemacht, ganz zu schweigen von den Wohnhäusern. Mehr als 800 Menschen mussten wegen Verletzungen behandelt werden, offiziell starben 36 Menschen, wahrscheinlich waren es um 300. Die Polizei schützte nicht die Schwarzen, sondern gab sogar noch Waffen an die wütende Meute aus. Als die Nationalgarde eingriff, internierte sie mehr als 6.000 schwarze Menschen, die, als sie Tage später wieder frei kamen, vor dem Verlust ihrer Existenz standen. Das US amerikanische Rote Kreuz allerdings hat nach dem Bericht der "Tulsa Race Riot Commission" (2001) in den Monaten nach dem Massaker menschlich vorbildliche Arbeit geleistet.

Massaker von Tulsa nicht das erste

Das Massaker von Tulsa war nicht das erste und sollte nicht das letzte bleiben, das unter den Begriff der Rassenunruhen fiel. Aber: Es war «das tödlichste und zerstörerischste Massaker in der Geschichte unseres Landes», sagt der Senator von Oklahoma, Kevin L. Matthews auf der Website, die an das Massaker vor 100 Jahren erinnern will. Matthews erklärte, er als schwarzer Mann und Enkel einer Frau, die das Massaker überlebt hatte, habe erst davon erfahren, als er in den 20ern war.

Denn nachdem sich der Rauch über dem brennenden Viertel verzogen hatte, senkte sich ein Mantel des totalen Schweigens über die Vorgänge. Die Hetzartikel in der Zeitung wurden vernichtet, bevor die Ausgaben archiviert wurden.

"Tulsa Race Riot Commission"

Erst in den 1990er Jahren wurden Stimmen laut, die Vorgänge aufzuarbeiten. 1997 konstituierte sich die "Tulsa Race Riot Commission", wo es Anfang der 2000er Jahre zu verschiedenen Fraktionen in Sachen Wiedergutmachung kam. 2001 wurde ein offizieller Bericht mit einer Rekonstruktion der Vorgänge veröffentlicht. Die Stadt Tulsa versucht seitdem, mit der Geschichte zu leben und Versöhnung zu erzielen. Allerdings leben noch heute die schwarze und weiße Bevölkerung nicht wirklich miteinander, sondern nebeneinander in weitgehend getrennten Wohngebieten - nicht nur in Tulsa.

Die Situation ist weiter komplex, denn struktureller Rassismus ist in den USA kein Ding der Vergangenheit. Polizeikontrollen afroamerikanischer Autofahrer durch weiße Polizisten gehen immer wieder tödlich aus wie im Fall George Floyd. Die Black Lives Matter-Bewegung wird noch lange nicht Geschichte sein.


Quelle:
KNA