Als Priester oder Pfarrer in Deutschland habe ich immer wieder die gleichen rassistischen Anfeindungen erlebt, wie alle anderen Afrikaner.
Der Unterschied besteht darin, dass ich als Priester, wenn man mich als solchen erkennt, aufgrund meines Status nicht direkt und brutal angegriffen werde. Aber rassistische Gesten oder Aussagen bekomme ich zu spüren. Zum Beispiel sagte man mir in einer Pfarrei: “Vor zwanzig Jahren hätten Sie hier keinen Platz als Pfarrer bekommen“. Der Gedanke: Eigentlich passen Sie nicht hier rein.
Viele solcher Situationen habe ich über die Jahrzehnte erlebt: Beim Studium in den 1980er-Jahren bin ich einmal schnell gelaufen, um meine S-Bahn zu erreichen. Da rief jemand: “Geh doch zu Fuß, wie bei Dir zuhause!“
In einem Restaurant, zu dem ich ab und zu zuvor mit deutschen Kommilitonen zum Essen gegangen bin, wurde ich nicht bedient. Nach einer Stunde Wartezeit habe ich verstanden, dass ich nicht erwünscht war, weil alle, die nach mir kamen, bedient wurden.
Das schlimmste, das mir im kirchlichen Kontext passiert ist: In einer meiner Pfarreien erzählte man mir, dass es Rassisten in einem Bibelkreis gab, die sich aber nicht trauen, sich als solche zu zeigen. Sonntag für Sonntag kamen sie zu meinen Gottesdiensten und saßen mit mir bei Veranstaltungen an einem Tisch.
Als Stipendiaten erzählte man uns öfter, dass man künftig nur Studien im Heimatland unterstützen würde. Unter anderem sei das billiger. Man nahm eine schlechte Ausbildung in Kauf, weil sie sowieso zu unserer “Entwicklungsstufe“ passte. Deshalb hieß es auch häufiger: Eine Habilitation für Afrikaner sei eine “Überqualifikation“, und würde darum nicht gefördert.
Hat sich der Rassismus in Deutschland verändert?
Im Vergleich zu den 1980er-Jahren habe ich den Eindruck, dass der Rassismus schlimmer geworden ist, und auch mehr in der Öffentlichkeit kundgetan wird. Früher hat man sich als Rassist etwas versteckt, weil die Erinnerungen an die Nazi-Zeit noch näher waren.
Die "Black Lives Matter“-Bewegung in den USA ist meines Erachtens eine augenblickliche Aktion, die langfristig nicht viel bewegen kann, weil es um einen tief in den Köpfen und Herzen verankerten Glauben geht: Der Schwarze ist kein Mensch, er ist nur menschähnlich.
Rassismus wird von einigen auch theologisch hergeleitet
Es ist das “ewige Übel“ aller Schwarzen, dass sie angeblich von Gott als Nachkommen von Cham verflucht wurden. Große Philosophen wie Kant oder Hegel haben das in ihrer Zeit bestätigt. Darum denken manche auch nicht darüber nach, dass es hervorragende Schwarze, wie Nelson Mandela, Indira Gandhi, Barack Obama, und viele erfolgreiche Wissenschaftler wie Léopold Sedar Senghor oder Cheik Anta Diop gibt. Einen Glauben kann man nicht mit Protestveranstaltungen verändern, sondern mit kraftvollen Taten!
Was denkt meine Heimat über Rassismus in Europa?
Zuhause sind viele Menschen verwundert, dass man sie aufgrund ihrer Hautfarbe so schlecht behandelt, obwohl wir doch von Gott so geschaffen wurden. Es scheint ihnen eine Beschimpfung Gott gegenüber, denn die Hautfarbe hat niemand bestellt und sie stellt auch keinen Wert dar. Sie denken: Wir haben die Kolonialherren und die Missionare als Weiße hier bei uns akzeptiert, warum tun die Europäer und Deutschen nicht das gleiche?
Obwohl der Rassismus anscheinend zugenommen hat, sind natürlich nicht alle Deutschen oder Europäer Rassisten, noch nicht mal die Mehrheit. Ich habe selbst viele deutsche Freunde, bei denen ich immer willkommen bin, bei denen ist meine Hautfarbe kein Thema. Das sind Erfahrungen, die nicht so prominent sind, wie die rassistischen Anfeindungen, die ich erlebe. Das hilft mir auch, den Rassismus hierzulande zu ertragen. Es gibt halt dumme Menschen überall, auch in meiner Heimat, wo es stammesmäßige Diskriminierungen gibt.
Eine Lehre aus der Geschichte?
Mein Glaube an einen gütigen, liebevollen, gerechten, barmherzigen und allen Menschen zugewandten Gott gibt mir Kraft und Hoffnung, das schlechte Geschehen in dieser Welt zu ertragen, aber dieser Glaube lässt mich manchmal auch zweifeln und wütend vor Gott werden: Warum lässt er die Menschheit im Bösen versinken? Die Freiheit scheint mir manchmal kein absolutes Gut zu sein. Wäre es besser, wenn Menschen zum Guten “gezwungen“ würden, wenn sie selbst nicht im Stande sind, es zu sein?
Seit mehr als zweitausend Jahren wird die Liebe als größtes Gebot im Evangelium und in anderen heiligen Schriften verkündet, seit dem 19. Jahrhundert kämpft man gegen den Rassismus. Seit dem zweiten Weltkrieg gibt es sogar eine Weltorganisation (UNO), die für die Gleichheit aller Menschen eintritt. In Deutschland rufen alle seitdem: "Nie wieder!"
Heute ist das aber nicht mehr selbstverständlich. Man lässt sogar fremdenfeindliche Stimmen im Bundestag zu. Ich glaube nicht, dass sich etwas in näherer Zukunft ändern wird. Die Gesellschaft hat auf den Mord des Politikers Walter Lübcke gewartet, bevor man ernsthaft das Thema anspricht und wirksame Maßnahmen ergreift. Jetzt warten wir auf die nächste Tragödie, die unsere Welt tief erschüttern wird, damit wir hoffentlich zur Besinnung kommen.
Da aber das Ende der Welt, nach Jesus Christus, dem Sohn Gottes, dann kommen wird, wenn alles ganz schlecht ist, wird sich die Welt nur ab und zu verbessern, insgesamt aber wird sich alles noch verschlimmern.
Freuen wir uns über das Heute und tun wir jetzt Gutes, damit wir ins Himmelreich gelangen können. Amen!
Zur Person: Der Autor ist katholischer Priester aus einem afrikanischen Land und lebt seit über 30 Jahren in Deutschland, hat hier studiert und in mehreren Pfarreien gewirkt. Aus Personenschutzgründen bleibt sein Name anonym.