DOMRADIO:DE: Sie kommen soeben aus dem Nahen Osten zurück und haben auch die sozialen und pastoralen Projekte besucht, die das Erzbistum unterstützt. Etwa eine Farm, ein Bauernhof, der die Bibel mit Tieren und einer entsprechenden Anmutung den Gästen vermitteln will.
Nadim Ammann (Leiter Diözesanstelle Weltkirche - Weltmission): Der Projektverantwortliche der dortigen Diözese hat sich das in den Kopf gesetzt und das Projekt gestartet. Er hat damit angefangen, eine Farm zu kaufen und hat dort nach und nach etwas aufgebaut.
Und in der Farm gibt es dieses Pastoralzentrum, das er ganz bewusst biblisch aufbaut. Das heißt, er hat an die Wände Reliefs anbringen lassen, es stehen Statuen da. Wenn Besucher kommen, etwa junge Familien oder Pfarreigruppen, für einen Tag oder langer, dann kann man sich direkt mit der Bibel dort beschäftigen.
DOMRADIO.DE: Und macht man das dann auch anschaulich mit den Tieren? Wird dann auch erklärt: Guck mal hier, das ist ein Ochse, das ist eine Kuh, davon hat jeweils der Noah nur zwei mitgenommen in die Arche?
Ammann: Ja, wie gesagt, es ist im Aufbau und geplant, auch dann mehr Tiere zu haben. Es sollen ganz bewusst junge Gruppen angesprochen werden, auch Pfadfinder, die dann auch entsprechend unterschiedliche Zimmer-Kategorien haben. Also, sie haben Doppelzimmer, wo dann eben ein Paar drin wohnen kann. Aber es gibt eben auch Schlafsäle, wo dann junge Menschen untergebracht werden.
DOMRADIO.DE: Das heißt, ich kann als Pilgerin zum Beispiel auch dahin gehen und dort übernachten?
Ammann: Genau. Und ganz wichtig ist eben auch, dass das Ganze nachhaltig aufgebaut wurde. Zum Beispiel der Fliesenboden; das sind Fliesen, die weggeworfen worden sind, kaputte Fliesen, die aber mit wunderschönen Mustern dann einfach da was Neues entstehen lassen.
In Wänden hat man Flaschen mit rein gebaut. Dann ist das Dach überwiegend aus Stroh und so weiter. Also, es wurde ganz bewusst geschaut, wo kann man sparen und die Sachen trotzdem schön gestalten.
DOMRADIO.DE: Recycling der besten Art! Seit 2011, also seit der Revolution, begleitet das Erzbistum Köln in Ägypten besondere pastorale Projekte. Wie laufen die?
Ammann: In den letzten Jahren ist wegen der Pandemie der Kontakt ein bisschen eingeschlafen und es hat eine Verjüngung im Episkopat stattgefunden. Es gibt viele neue Bischöfe, insgesamt habe ich sechs neue Bischöfe kennengelernt, und es ging darum, mit denen zu schauen, wie führen wir unsere Partnerschaft eigentlich fort? Und jetzt musste man eben schauen, was ist die Vision, was sind die Pläne der neuen Bischöfe?
Und in Zeiten, in denen bei uns die Mittel zurückgehen, muss man eben auch schauen, bestehen Möglichkeiten, vor Ort auch Mittel einzusparen? Oder können Einnahmen erwirtschaftet werden durch solche Farm-Projekte, wo ja dann auch Gruppen hinkommen und dann auch investieren. Und ich habe mit den Bischöfen darüber gesprochen, ob man etwa Photovoltaikanlagen auf die diözesanen Gebäude installieren kann, um Stromkosten zu reduzieren.
DOMRADIO.DE: Und wie erleben Sie die neuen Bischöfe?
Ammann: Die sind völlig unterschiedlich. Einige sind richtig visionär unterwegs, die ganz stark ihre Leute mitnehmen. Sie haben andere, die ihr Amt eher traditoneller angehen und sagen: Der Bischof ist der Chef, der muss alleine entscheiden. Da haben wir versucht zu beraten und haben empfohlen, die Gläubigen mitzunehmen, etwa durch eine Diözesan-Synode und eine Vision für das Bistum zu entwickeln. Es gibt ganz, ganz fähige Leute in Ägypten, auch Moderatoren, Leute, die im Ausland studiert haben, die kann man mit einbeziehen.
DOMRADIO.DE: Jetzt unterstützt das Erzbistum Köln auch Schulprojekte. Also wenn man es mal ganz plastisch ausdrückt: Arme Bauernkinder können dann auch zur Schule gehen und Bildung bekommen. Wie läuft das Projekt?
Ammann: Die Erzdiözese Köln hält sich in der Regel mit Schulprojekten zurück. In Ägypten gibt es eine Ausnahme. Dort ist eine Organisation, die heißt Association for Egypt for Development and Education. Die betreibt seit über 50 Jahren in Oberägypten mehr als 30 Schulen. Und diese Schulen gehören mit zu den besten des Landes.
Das heißt, da werden, so wie Sie es gesagt haben, Kinder aus Bauernfamilien beschult, und die haben dann Möglichkeiten, die sie sonst eben nicht gehabt hätten. Die Schulen nehmen an diversen Wettbewerben teil und sind immer unter den besten. Da wird auch darauf geachtet, dass eben der Schulbau nicht einfach 08/15 ist, sondern modern gebaut ist. Das heißt, dass es eine moderne Einrichtung gibt, dass man Medien nutzt und so weiter. Diese Schüler haben anschließend die Möglichkeit, dann beispielsweise in den Universitäten in Kairo zu studieren und eventuell auch einen guten Job zu bekommen.
DOMRADIO.DE: Jede Ortskirche hat ja ihre besondere Prägung, bestimmt auch die Christen in Oberägypten. Wie haben Sie die Kirche dort erlebt?
Ammann: Wir haben eine neue Diözese besucht, die von einer anderen Diözese abgetrennt worden ist. Man muss dazu wissen, dass die meisten Christen in Oberägypten leben, da gibt es eine ganz starke Konzentration. Wenn man da durch die Landschaft fährt, sieht man überall Kirchtürme, das ist ganz ungewohnt für Ägypten, weil das eher ein muslimisches Land ist.
Und wir haben natürlich mit den Bischöfen darüber gesprochen, wie sinnvoll so eine Trennung von Diözesen überhaupt ist, weil die Zahlen der Katholiken ja jetzt nicht steigen. Und da haben die Bischöfe erklärt, dass es für sie ganz wichtig ist, gerade in der Situation, in der sie leben, als Minderheit auch innerhalb der christlichen Kirchen sind die Katholiken eine Minderheit. Es ist ganz wichtig für sie, dass sie Kontakt zu ihren Leuten haben. Und die Bischöfe besuchen alle Haushalte! Das sollten bei uns die Pfarrer machen. Hier machen es die Bischöfe.
Und in den Gesprächen fand ich das auch tatsächlich einleuchtend, wenn Sie dann mit den Bischöfen dort unterwegs sind und sehen, wie sie mit ihren Gläubigen umgehen, wie gut sie die kennen und sagen: Ach, du bist doch die Tochter von dem und dem, dann ist das schon was! Da merkt man, wie nah dort die Seelsorge an den Menschen dran ist.
DOMRADIO.DE: Was für eine Rolle spielt es denn eigentlich für die Bischöfe, für die Christen dort die Zusammenarbeit oder die Unterstützung, die von uns aus vom Erzbistum Köln aus dorthin kommt?
Ammann: Die spielt eine ganz große Rolle. Die Bischöfe kommen regelmäßig zu Besuch, manche öfter, manche weniger oft, um eben mit uns in Kontakt zu bleiben. Viele haben veraltete Strukturen in den Pfarreien. Die Priester in den orientalischen Kirchen dürfen ja auch heiraten. Da sind Familien mit verbunden und die brauchen entsprechend auch Wohnraum. Und dann ist es einfach so, dass ein kleiner Kirchenraum heute eben nicht mehr ausreicht. Und dann muss man ein Pfarrzentrum bauen mit einem Pfarrsaal.
Dort findet auch noch die Sonntagskatechese statt, das heißt, man braucht auch da eben die entsprechenden Räumlichkeiten. Dann gibt es die Frauengruppen, wie bei uns auch. Nur dass das wirklich wöchentliche Treffen sind. Und dafür braucht man einfach die Räumlichkeiten. Und für diese Bauten haben die einfach nicht die Mittel, da helfen wir dann.
DOMRADIO.DE: Inwieweit ist es denn vielleicht auch gar keine Einbahnstraße, dieses "Wir unterstützen die Christen in Ägypten", sondern was können wir von ihnen lernen?
Ammann: Also, wir reden in der Diözesanstelle "Weltkirche - Weltmission" immer vom Geben und vom Nehmen. Es ist immer eine Partnerschaft.
Und was wir von den Kirchen im Nahen Osten mitnehmen können, ist zum Beispiel: Wenn ich mit jungen Menschen rede, dann stelle ich fest, ich rede mit gläubigen jungen Menschen, denn sie kennen ihren Glauben. Das ist die Sonntagskatechese, die da zugrunde liegt.
Die Christen werden von klein auf in Religion unterrichtet. Das findet bei uns so nicht statt. Auch der Religionsunterricht in der Schule ist nicht ausreichend, wenn man daheim und in der Pfarrei nicht unterrichtet wird, dann bleibt man in gewisser Weise ein Religionslaie. Und das ist eben in diesen Ländern ganz anders.
Wobei man natürlich sagen muss, die gesamte Gesellschaft ist dort religiös geprägt. Ich habe mal von einem koptisch-orthodoxen Bischof gehört, der in einem Interview gefragt worden ist: Was ist denn eigentlich mit denen, die nicht glauben? Und dann hat er herzhaft gelacht, weil es in der Vorstellung vor Ort das so nicht gibt. Man ist Muslim oder man ist Christ. Und selbst wenn man nicht in die Kirche geht, ist man Christ.
DOMRADIO.DE: Hat die gute Kenntnis der eigenen Religion auch damit zu tun, dass Christen dort in der Minderheit sind?
Ammann: Das glaube ich schon, sie ist identitätsstiftend. Was man in den Kirchen erlebt, und das finde ich immer sehr schön, ist, dass es da so eine Art Club gibt.
Das heißt, man kommt dann nachmittags hin, wenn die Schule beendet ist, und dann spielen die Kinder da Fußball. Es gibt eine kleine Cafeteria, wo dann die Eltern sitzen und einen Kaffee trinken können.
Man versucht diesen ganzen Pfarr-Raum eben sehr gesellschaftlich zu nutzen und da sind dann die Christen unter sich in einem geschützten Raum. Und diese Anbindung an den Kirchturm, an die Pfarrei ist ganz wichtig. Und da ist dann auch immer der Pfarrer, der irgendwo unterwegs ist oder die Ordensfrauen sind dann auch da und so gibt es dann einen ganz engen Bezug.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.