Wenn im kirchlichen Kontext von Berufung die Rede ist, dann denkt man an das Priestertum oder an das Ordensleben. Doch Berufung umfasst viele andere Tätigkeitsfelder. Menschen können sich berufen fühlen, Ärztin, Lehrer, Bäcker oder Musikerin zu werden. In Deutschland gibt es mehr als 300 anerkannte Berufe. Da ist es erstaunlich, dass sich für die meisten davon Bewerber oder Bewerberinnen finden.

Zwar mögen nicht alle ihren Wunschberuf ergreifen können. Ich erinnere mich an meinen Großvater, der Zahnarzt war. Sein Herz schlug eigentlich für die Altphilologie. Den schwierigen Verhältnissen nach dem Ersten Weltkrieg geschuldet, musste er einen Beruf mit möglichst kurzer Studiendauer ergreifen. Das war damals Zahnmedizin. So pflegte er Latein und Griechisch zeit seines Lebens als Hobby.
In seiner Botschaft zum Welttag der Berufungen im Jahr 2024 unterstrich Papst Franziskus, dass Gott an jeden Menschen einen Ruf richtet. Dabei geht es in erster Linie darum, die Sehnsucht nach Glück zu erfüllen, die wir in uns tragen.
Diese Sehnsucht erfüllt sich, wenn wir entdecken, wer wir sind, welches unsere Stärken sind, in welchem Bereich wir sie fruchtbar werden lassen können. Sie erfüllt sich, wenn wir unseren ganz persönlichen Weg finden, um in unserem jeweiligen Lebensumfeld ein Zeichen und ein Werkzeug der Liebe, der Gastfreundschaft, der Schönheit und des Friedens zu werden.
Gehorsame Eltern
Dabei denkt der Papst an erster Stelle an die Väter und Mütter, die sich dem Geschenk des Lebens öffnen und in den Dienst ihrer Kinder stellen. Eltern haben keinen Acht-Stunden-Tag. Wenn die Kinder noch klein sind, dann fordern sie bis in die Nacht Zuwendung und Aufmerksamkeit. Von ihren schreienden Kindern wird von Eltern mehr Gehorsam verlangt als von vielen, die ein Gehorsamsgelübde im Ordensleben abgelegt haben.

An zweiter Stelle denkt er an diejenigen, "die sich in verschiedenen Bereichen und auf unterschiedliche Weise für den Aufbau einer gerechteren Welt, einer solidarischeren Wirtschaft, einer faireren Politik und einer menschlicheren Gesellschaft einsetzen". Dies schließt alle sozialen Berufe etwa in der Caritas oder in den kirchlichen Hilfswerken ein. Papst Franziskus bezieht sich hier auch auf die Politik, die für ihn eine hervorragende Form der Nächstenliebe ist, wenn sie sich am Einsatz für das Gemeinwohl ausrichtet.
Dienst an den Menschen
Erst an dritter Stelle kommt er auf die Menschen zu sprechen, die sich zum Ordensleben oder zum Priestertum berufen fühlen. Deren Zahl nimmt zwar ab. Doch auch heute gibt es diese Berufungen. Papst Franziskus unterstreicht in seinem Gebetsanliegen, dass es sich dabei um einen Dienst handelt. Der Jesuitenorden hat in einer seiner letzten Generalversammlungen die Jesuiten als "Diener der Sendung Christi" bezeichnet. Jesus selbst hat seine Sendung als Dienst verstanden: Dienst an den Menschen, vor allem an denen, die leidend, bedürftig oder benachteiligt und ausgegrenzt sind.
Ziel jeder Berufung ist für Papst Franziskus, Männer und Frauen der Hoffnung in einer Welt zu werden, in der die Hoffnung durch vielfältige Krisen auf eine schwere Probe gestellt ist. Es geht darum, der Hoffnung des Evangeliums "Leib und Herz zu geben". Es geht darum zu Mittlern und Zeugen des Traums Jesu zu werden: "eine einzige Familie zu bilden, die in der Liebe Gottes vereint und durch das Band der Nächstenliebe, des Teilens und der Geschwisterlichkeit verbunden ist".