DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass der Koalitionsvertrag einen echten Fortschritt für Kinder und Jugendliche darstellt?
Gregor Podschun (Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend): Ich finde, dass sehr wichtige Themen für Kinder und Jugendliche im Koalitionsvertrag benannt sind. Das zeigt zum einen, dass die Grundsicherung von Kindern und Jugendlichen drin ist. Aber auch die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ist ja eine Forderung, die die Jugendverbände schon lange Zeit erheben und wir freuen uns, dass auch das umgesetzt wird.
Dass mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gefordert ist, ist ebenfalls ein Punkt, den wir sehr unterstützen. Insbesondere muss das bei allen Punkten geschehen, die Kinder und Jugendliche auch betreffen. Bei denen müssen sie beteiligt werden. Wir freuen uns natürlich auch, dass ein nationaler Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung direkt reingeschrieben wird. Das heißt, das ist auch tatsächlich etwas, was man sehr konkret und sehr schnell angehen kann.
DOMRADIO.DE: Die Koalition will die Kindergrundsicherung umsetzen. Das wird wahrscheinlich ein teures Projekt. Meinen Sie, dass die Ausgaben dafür gerechtfertigt sind und, dass das Paket am Ende auch bei den Kindern und Familien ankommt, die diese Hilfe brauchen?
Podschun: Ich glaube, in dem Fall darf es keine Frage der Finanzierung sein, sondern das muss umgesetzt werden. Hier geht es immerhin um lebenswürdige Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche. Jeder Euro, der in junge Menschen investiert wird, rentiert sich später umso mehr. Wenn junge Menschen eine gute Bildung erhalten, faire Lebenschancen haben und gesund aufwachsen können, ist das das Pfund, was unser Land für die späteren Generationen hat. Und deswegen ist die Finanzierung dessen auf jeden Fall gerechtfertigt.
DOMRADIO.DE: Die Koalition will sich mehr für Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Wird sie das mit den jetzt vorgestellten Plänen schaffen?
Podschun: Ich hoffe, dass das tatsächlich gelingt. Wir haben noch viele andere Punkte im Koalitionsvertrag, die Kinder und Jugendliche beschäftigen, sei es ein ambitionierter Einsatz gegen den Klimawandel, sei es, die Rechte von LGBTIQ-Personen zu stärken. Das alles sind Punkte, die auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen mehr Chancengleichheit für verschiedene Menschengruppen schaffen, auch für Kinder und Jugendliche. So ein Koalitionsvertrag - das ist der Form dieses Vertrags geschuldet - benennt natürlich nur in kurzer und knapper Form Maßnahmen. Wenn diese aber in dieser Legislatur tatsächlich so umgesetzt werden, wie sie da drinstehen, dann haben wir ein Land, das sich mit großen Schritten vorwärts entwickeln kann.
DOMRADIO.DE: Kommen wir noch auf das Klima zu sprechen. Ein sehr wichtiges Thema für junge Menschen. Fridays for Future hat ja ganz klar gezeigt, dass junge Menschen mit den Ängsten und Sorgen endlich ernst genommen werden wollen von der Politik. Genau das hat sich auch die Koalition auf die Fahnen geschrieben. Ist es ausreichend, was die Ampel-Parteien sich da vorgenommen haben?
Podschun: Wir sehen im Koalitionsvertrag einen großen Fortschritt. das 1,5 Grad-Ziel oder den 1,5 Grad-Pfad einzuhalten. Auch hat sich die Politik die Nachhaltigkeitsziele als Richtschnur genommen und hat in verschiedenen Bereichen, sei es die Landwirtschaft, sei es auch die Wirtschaft, sei es die Industrie, ausdifferenziert, dass dort ambitionierter vorangegangen werden muss. Es gibt Kompensationsmechanismen im sozialen Bereich durch das Klimageld.
Was wir auch besonders begrüßen, sind natürlich, dass 80 Prozent der erneuerbaren Energien bis 2030 umgesetzt werden sollen und der vorgezogene Kohleausstieg, der "idealerweise" - so ist es formuliert - geschehen soll. Zum anderen gibt es natürlich auch Punkte, wo wir sagen: Da könnte auf jeden Fall auch noch mal nachgebessert werden. Beispielsweise, dass es kein Verbot von Verbrennungsmotoren gibt. Auch das ist natürlich ein Punkt, der noch mal nachgesteuert werden könnte. Und ich glaube, es hängt ein bisschen davon ab, wie das dann tatsächlich umgesetzt wird.
Es wird oft genannt, dass der Klimaschutz in den European Green Deal eingebettet werden soll. Da kommt es natürlich auch darauf an, dass Deutschland mutig vorangeht, auch wenn andere europäische Staaten das möglicherweise nicht machen. Da kommt es tatsächlich darauf an, wie die Ressorts letztendlich ihre Ziele wirklich umsetzen. Was wir aber sehen ist, dass der Wille zumindest formuliert ist im Koalitionsvertrag. Und das ist positiv zu bewerten.
DOMRADIO.DE: Gibt es darüber hinaus noch etwas, was Sie sich gewünscht hätten? Was Ihrer Meinung nach fehlt?
Podschun: Das ist in so einem knappen Koalitionsvertrag schwierig zu benennen. Es sind sehr viele gute Punkte genannt, die tatsächlich umgesetzt werden müssen. Was ich mir gewünscht hätte wäre, dass tatsächlich die Jugendverbände auch noch mal auftauchen. Die sind im Koalitionsvertrag gar nicht genannt. Stattdessen sollen Jugendparlamente beispielsweise eingerichtet werden. Das sehen wir ein bisschen kritisch, weil die demokratischen Strukturen, die die Zivilgesellschaft stützen, ja die Vereine und Verbände sind.
Die sind auch in der Verfassung genau für diese Strukturen genannt. Und die vertreten ja eine große Anzahl von Mitgliedern und sind dadurch ganz anders demokratisch legitimiert als beispielsweise Einzelpersonen, die in Jugendparlamenten vertreten sind. Da hätte ich mir gewünscht, dass die da auftauchen. Aber an sich, im Großen und Ganzen, bewerten wir den Koalitionsvertrag doch als positiv.
Das Interview führte Florian Helbig.