Bangladesch durchlebt unruhige Zeiten. Mehr als 400 Demonstranten wurden bei den Protesten gegen die autokratische Regierung von Premierministerin Sheikh Hasina erschossen. Mit dem überraschenden Ende des Regimes und der Flucht Hasinas am 5. August nach Indien sowie der Bildung einer Übergangsregierung unter Friedensnobelpreisträger Mohammed Yunus endete die Gewalt gegen Demonstranten.
Allerdings kam es in den Tagen nach Hasinas Sturz zu Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Betroffen waren vor allem hinduistische Tempel, aber auch einige christliche Einrichtungen. Die Interimsregierung reagierte umgehend mit einer Einladung an den "Bangladesh Hindu Buddhist Christian Unity Council" zum Dialog.
Die Katholiken nutzten die Chance zur einer Loyalitätserklärung an die neue Regierung. Was nach Ansicht von Beobachtern auch bitter nötig ist. Hatte die Kirche doch zum langjährigen Machtmissbrauch, dem Abbau demokratischer Rechte und der Korruption unter Premierministerin Hasina ebenso geschwiegen wie zur brutalen Niederschlagung der Proteste durch Polizei und Milizen der Awami League.
Erwartungen an die Übergangsregierung
Erzbischof Bejoy N. D'Cruze aus Dhaka, Vorsitzender der Katholischen Bischofskonferenz von Bangladesch, war Teil der Delegation. Beim Treffen verlas er einen Brief, der Yunus im Namen der christlichen Gemeinschaft des Landes überreicht wurde. In dem Schreiben gratulierte D'Cruze den Studenten, die den Massenaufstand angeführt hatten, der dann zum Sturz des Regimes der Awami Liga führte und den Weg für die Übergangsregierung ebnete.
Wie der asiatische Nachrichtendienst Ucanews weiter berichtete, betonte Erzbischof D'Cruze auch den Beitrag christlicher Schulen, Krankenhäuser und Wohltätigkeitsorganisationen wie Caritas und World Vision zur Entwicklung des Landes. Zudem forderte der Erzbischof: "Wir erwarten, dass die Übergangsregierung starke Initiativen ergreift, um ein Bangladesch aufzubauen, das auf Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit basiert, das inklusiv ist und nicht bestimmte Gruppen bevorzugt."
Seit dem Sturz von Hasina wurden mehr als 250 Häuser, Geschäfte und mindestens zehn Hindutempel von Muslimen angegriffen. Der Angriff auf ein Büro der Caritas in Khulna einen Tag vor dem Sturz von Hasina soll ein Versehen gewesen sein. Kein Versehen gewesen sei aber der Angriff von rund 50 Muslimen auf eine Niederlassung der "Christian Cooperative Credit Union Limited" in Madanpur nahe der Hauptstadt Dhaka, heißt es aus kirchlichen Kreisen.
Warnung vor Überbewertung der Fälle religiöser Konflikte
Thomas Kean, Bangladesch-Experte der Crisis Group, warnt im Gespräch mit der KNA davor, die Fälle religiöser Konflikte überzubewerten.
Minderheiten in Bangladesch seien zwar häufig Opfer von Gewalt und das insbesondere in Zeiten politischer Unruhen und einer sich verschlechternden Sicherheitslage. Man müsse aber die aktuellen Fälle in einem größeren Zusammenhang sehen.
"Die Angriffe auf Hindus fanden in einem Sicherheitsvakuum statt. Nach Hasinas Sturz weigerten sich die meisten Polizisten - wegen ihrer Unterstützung des Regimes selbst Ziel von Gewalt - zunächst zu arbeiten. Die Armee hingegen hatte Mühe, das Vakuum zu füllen. In vielen Vierteln gründeten Bewohner Bürgerwehren, um die Sicherheit aufrechtzuerhalten. "Im ganzen Land kam es zu brutalen Repressalien gegen Mitglieder der Awami Liga", sagt Kean.
Hindus hatten die Awamai Liga unterstützt, weil diese historisch als jene Partei galt, die Minderheiten schützte. "Daher könnten sie wegen ihrer politischen Zugehörigkeit ins Visier geraten sein", so Kean.
Kritika am Schweigen der Christen
Das gleiche gilt für die winzige Minderheit der Christen. Als sich die Awami Liga unter Hasina zunehmend in eine korrupte, demokratiefeindliche, menschenrechtsverachtende Organisation verwandelte, hätten die Christen, vor allem ihre Führungspersönlichkeiten, weiter zu alledem geschwiegen, sagt Rock Rozario, Redakteur von Ucanews in Bangladesch.
Gleichzeitig sieht Kean ein Motiv für die Gewalt gegen Hindus auch in vielen Falsch- und Fehlinformationen indischer Medien, wie Behauptungen über muslimische Massenmorde an Hindus. Die Berichte eines Großteils indischer Medien, die oft als Sprachrohr der Regierung gelten, sei "völlig abseits der Realität in Bangladesch".
"Sie neigen dazu, die Dinge durch die Linse der Islamophobie und Geopolitik zu betrachten", sagt Kean. Tatsächlich seien die Proteste "aber ziemlich säkular" gewesen. Kean sagt: "Anders als es einige indische Medien darstellen, war Hasinas Verhalten überhaupt nicht demokratisch. Sie hätte die Demokratie in Bangladesch beinahe abgeschafft, um an der Macht zu bleiben."
Hasina war eine wichtige Verbündete Neu Delhis gegen Chinas Einfluss sowie im Kampf gegen islamistischen Extremismus in Südasien. Indiens Unterstützung für Hasinas zunehmend autokratische Regierung und die antimuslimische Haltung von Indiens Premierminister Narendra Modi hätten in Bangladesch weitverbreitete Wut ausgelöst, erklärt Kean.
"Hasina ist auch wegen ihrer Allianz mit Neu Delhi gestürzt worden."
In Bangladesch gibt es aber auch eine andere Seite der Gewalt gegen Hindus, über die Indien kaum berichtet wird. "Es gab zahlreiche Berichte über Madrassa-(Koranschulen)-Studenten, die halfen, Hindutempel vor Angriffen zu schützen", berichtet Kean und fügt hinzu: "Die derzeitige Übergangsregierung ist zudem die repräsentativste, die Bangladesch je hatte."