Debatte über die christliche Judenmission geht weiter

Umstrittene Sendung

Gerade hat sich das jüdisch-katholische Verhältnis nach den Wirren um die Traditionalisten wieder etwas entspannt, da rückt schon weiterer Konfliktstoff ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Dürfen und sollen Christen Juden missionieren? Ausgelöst hat die neuerliche Debatte ein im März vorgelegtes Papier des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und ein Antwortschreiben der Deutschen Bischofskonferenz.

Autor/in:
Bernd Buchner
 (DR)

Die Frage ist so alt wie der Sendungsauftrag Jesu am Ende des Matthäusevangeliums: "Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern." Und sie lässt sich ganz unterschiedlich beantworten, je nachdem, wie die Heilswirkung Christi für alle Menschen sowie der Fortbestand des Bundes mit dem Volk Israel theologisch bewertet werden.

Das Papier des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), formuliert eine klare Absage an die sogenannte Judenmission. Die Kirche brauche nicht um das Heil Israels besorgt zu sein und die Juden zur Taufe veranlassen, heißt es darin. Indirekt vertritt die Erklärung die These, es gebe neben dem ungekündigten Bund Gottes mit Israel einen zweiten Bund mit den Heiden. Das Christentum ist historisch zwar eine Tochterreligion des Judentums, da aber nur wenige Juden von Jesus als Messias überzeugt werden konnten, rekrutierte es sich weitgehend aus Heiden.

Das ZdK-Papier unter dem etwas plakativen Titel «Nein zur Judenmission - Ja zum Dialog zwischen Juden und Christen» enthält allerdings eine Reihe theologischer Schwachstellen. Darauf wies namens der Deutschen Bischofskonferenz der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hin und warnte vor einer Verwässerung zentraler Glaubensaussagen. Die Unterschiede zwischen Juden und Christen lägen keineswegs nur in der Vorstellung der Menschwerdung Christi und in der Lehre von der Dreieinigkeit. Auch aus dem Vatikan hieß es, das Papier der Laienkatholiken sei eine «Ansammlung von Halbwahrheiten».

In seiner Erwiderung machte Müller zugleich deutlich, dass der Begriff der Mission richtig dargestellt werden müsse. Das negativ besetzte Wort bringe die Sendung der Kirche in Misskredit. Keineswegs gehe aus Jesu Befehl hervor, Gläubige anderer Religionen durch Überredung abzuwerben oder gar mit Drohung zu nötigen, so der Regensburger Oberhirte. «Glaube und Freiheit bedingen einander.» Der frühere Dogmatikprofessor Müller unterstreicht darüber hinaus, dass jede Form von Antisemitismus mit dem Glauben unvereinbar und ein «Verrat an Christus» sei.

Die Intensität der Debatte zeigt, dass es hier um grundlegende theologische und historische Aspekte im jüdisch-christlichen Verhältnis geht. Dabei fehlt auch Polemik nicht. «Gott ist kein Bigamist» war ein Zeitungsartikel des katholischen Philosophen Robert Spaemann überschrieben, worauf der jüdische Historiker Michael Brenner prompt konterte, ein Christ sei er allerdings auch nicht. Einspruch gegen Spaemanns recht unerbittliches Plädoyer für die Judenmission kam auch von dem Bochumer Neutestamentler Thomas Söding, der sowohl theologisch als auch kirchenpolitisch argumentiert.

Die Zwei-Bünde-Theorie, um die es in dem Streit hauptsächlich geht, ist im Übrigen keine Erfindung des ZdK. Schon seit Jahrzehnten arbeiten evangelische Theologen wie Krister Stendahl, E. P. Sanders, James Dunn oder Lloyd Gaston an einer «neuen Paulus-Perspektive», die einen anderen Blick auf zentrale paulinische Aussagen wirft. Infrage gestellt wird neben der Rechtfertigungslehre Luthers auch der vermeintliche Antjudaismus des Apostels. Dieser kritisiere das jüdische Gesetz nur dann, wenn es für die Heiden bindend sein soll, so die Forscher. Dem alten, ungekündigten Bund stelle Paulus einen neuen Heidenbund zur Seite.

Wenn Papst Benedikt XVI. in wenigen Tagen ins Heilige Land reist, hat er nicht nur einen diplomatischen Kraftakt zu bewältigen, sondern nutzt die Gelegenheit möglicherweise für ein klärendes Wort in Sachen Judenmission. Der missionarische Charakter des Christentums als Offenbarungsreligion steht außer Zweifel, doch über die praktischen Auswirkungen gibt es naturgemäß unterschiedliche Auffassungen. Mutter Teresa brachte die umstrittene Sendung einmal auf diese Formel: Rede nicht von deinem Glauben, wenn du nicht gefragt wirst. Aber lebe deinen Glauben so, dass du gefragt wirst.